Wer Recruiting für die heiß umworbene Zielgruppe der Hochschulabsolventen macht, der wird sich mit den Interessen dieser Zielgruppen beschäftigen (müssen). Das haben auch wir getan – nicht mit einer weiteren Befragung, sondern indem wir genau zugehört haben.
In den letzten 2-3 Jahren haben wir etwa 400 Absolventen in (Telefon-) Interviews kennengelernt – und uns ihre Fragen notiert. Die anschauliche Sammlung haben wir ausgewertet und geclustert. Dabei sind 7 Kernbereiche und weitere Auffälligkeiten und Erkenntnisse herausgekommen.
Den Katalog der Fragen ist sehr lang. Unsere Clusterung der gestellten Fragen hat folgende 7 Themenbereiche gezeigt, die den Absolventen besonders am Herzen liegen.
1. Die Details des jeweiligen Trainee-/Einstiegsprogramms
Beispiele:
- Wie lange gibt es das Trainee-/Einstiegsprogramm in dieser Form schon?
- Wie zeitlich flexibel kann der Einstieg erfolgen?
- Wie verpflichtend sind die Stationen, wie lange dauern sie jeweils?
- Welche konkreten Seminare und Workshops werden den Berufseinsteigern angeboten? Kann man nur an solchen teilnehmen, die einen interessieren?
- Inwieweit wird man in Projekte eingebunden? Was sind Beispiel-Projekte?
- Gibt es ein Mentorenprogramm und wie sieht dieses genau aus? Von wem und wie häufig bekommt man Feedback?
2. Das Arbeitsumfeld
Beispiele:
- Wie würden Sie das Klima/die Unternehmenskultur beschreiben?
- Was sind die konkreten Aufgaben, die man erledigen muss?
- Wer ist mein Vorgesetzter? Duzt man sich?
- Wie groß ist der Fachbereich? Wieviele Kollegen/weitere Trainees oder Berufseinsteiger hat man im Team? Wie groß sind die Büros?
- Wie international ist das Unternehmen aufgestellt? Ist die Unternehmenssprache Englisch?
3. Standortfragen
Beispiele:
- An welchen Standorten findet das Trainee-/Einstiegsprogramm statt und wie lange ist man an welchem Ort?
- Gibt es auch Stationen im Ausland – wo? Mit wie vielen Auslandseinsätze ist zu rechnen? Wie lange dauern diese?
- Mit wie vielen Dienstreisen ist zu rechnen und wie lange dauern diese?
- Kann man nach dem Traineeprogramm an dem Standort bleiben?
4. Das Networking im Unternehmen
Beispiele:
- Wie vernetzt sind die Leute im Unternehmen und die Trainees/Berufseinsteiger untereinander? Wie wird der Kontakt untereinander gefördert?
- Welche Rückmeldungen erhält man von bisherigen Trainees/ Berufseinsteigern zum Programm? Kann man mit aktuellen Einsteigern sprechen?
- Startet eine Gruppe gleichzeitig oder steigt jeder zu einem anderen Termin ein? Wie groß ist eine Gruppe?
5. Vertragliche Rahmenbedingungen
Beispiele:
- Wie sicher ist die Übernahme? Gibt es eine Befristung und warum?
- Bekommen alle Trainees/Berufseinsteiger das gleiche Gehalt? Wovon sind Gehaltsunterschiede abhängig?
- Hat man relativ regelmäßige Arbeitszeiten oder muss man mit vielen Überstunden rechnen?
- Bekommt man einen Dienstwagen?
- Was umfasst das angebotene Gesundheitsmanagement alles und sind die Angebote kostenfrei?
6. Die Karriere-Optionen und Zukunftsperspektiven
Beispiele:
- Wie sieht meine Zielposition nach dem Trainee-/Einstiegsprogramm aus?
- Wie schnell kann man Führungsaufgaben übernehmen? Welche Chance hat man als Frau auf eine Führungsaufgabe?
- Wie sieht der weitere Weg nach dem Programm und der Einstiegsposition aus?
- Was ist aus den Teilnehmern bisheriger Programme geworden? Wieviele sind noch an Bord (Bleibequote)?
- Was kann man nach dem Programm verdienen?
- Man möchte später gerne Familie haben; wie wird man dabei unterstützt?
- Wird ein nebenberufliches Zusatzstudium/Zertifizierung unterstützt?
7. Das Auswahlverfahren
Beispiele:
- Wie sieht der genaue Bewerbungsprozess aus und wann geht es weiter?
- Bekommt man ein Feedback, auch wenn es nicht zur Einstellung kommt?
- Warum hat der Auswahlprozess so viele Schritte?
- Wie viele Bewerber haben sich auf die Stelle beworben?
Weitere Auffälligkeiten
Im Zeitverlauf der letzten 2-3 Jahre hat sich die Menge und die Art der Fragen tendenziell verändert.
- Die Fragen sind mehr, kritischer und offensiver geworden. Die Bewerber fragen verstärkt direkt oder indirekt danach, was Unternehmen ihnen bieten. Dabei sind die Fragen oft nicht konkret, sondern sehr weit gefasst wie “Was zeichnet das Unternehmen als Arbeitgeber aus?, Wie fördert das Unternehmen seine Mitarbeiter?” etc. oder nicht immer ganz klar zu beantworten (z.B. späterer Entwicklungsweg, Karrierechancen von Frauen etc.).
- Man gewinnt den Eindruck, dass die Bewerber eine hohe Erwartung an Transparenz und Standards, klare Strukturen und konkret erwartbare Leistungen haben, andererseits aber eine hohe Flexibilisierung und Individualisierung ihres eigenen Weges wünschen.
- Bei Fragen zum Arbeitsumfeld wird immer mehr der Kollegenkreis und die Vernetzung untereinander ein Thema. Und in Bezug auf die Rahmenbedingungen häufen sich erkennbar Fragen zum Standort/Einsatzort.
- Viele der Fragen werden unabhängig von den verfügbaren Vorabinformationen (Karrierewebseite, zugesendete Online-Bewerberbroschüre) gestellt. Hier entsteht der Eindruck, dass diese Informationen nicht oder nur oberflächlich wahrgenommen wurden und die Bewerber ein Frageraster abarbeiten.
Die Erkenntnis
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.