Warum Candidate Personas kein Renner sind

Gründe gegen den Einsatz einer Candidate Persona

“Candidate Persona – was ist denn das schon wieder?” So die Frage eines Hiring Managers neulich, mit dem ich ein Briefing zu einer Stellenbesetzung hatte. Ich erklärte ihm kurz, um was es dabei geht und er winkte ab. “Nimm die Anzeige von vor ein paar Monaten. Da stehen alle Anforderungen drin.”

Ein Klassiker dachte ich und konnte ihn dann doch noch davon überzeugen, mit mir eine smarte Candidate Persona zu erstellen. Inzwischen haben wir die ersten Bewerbungen und auch schon erste Gespräche geführt. Im Vergleich zur Stellenbesetzung vor ein paar Monaten sind die Bewerbungen jetzt deutlich passender. “Das hätte ich nicht gedacht” – sagte der Hiring Manager nach einem gemeinsamen Interview. Ich glaube, bei der nächsten Stellenbesetzung werden wir nicht mehr lange diskutieren, ob wir eine Candidate Personau entwickeln.

Candidate Persona und ihre Vorteile

Eine Candidate Persona ist die Beschreibung einer fiktive Person, die als Repräsentant für eine bestimmte Zielgruppe von Bewerbern steht, die perfekt passen würde.

Mit einer Candidate Persona kann man das Recruiting für eine Stelle besser an den Bedürfnissen und Erwartungen Ihrer Zielgruppe ausrichten. Das ermöglicht einerseits eine stärkere Personalisierung der Bewerberansprache, was sich positiv insbesondere auf die Qualität eingehender Bewerbungen auswirkt.

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Und andererseits ermöglicht es ein überzeugenderes Bewerbungserlebnis im Kennenlernprozess. Eine stärkere Ausrichtung des Kennenlernens auf die Zielpersona hilft die Bewerberzufriedenheit zu steigern und so Absprünge zu vermeiden und mehr Einstellungen zu realisieren.

Das Konzept der Candidate Persona ist in 7 Schritten erklärt:

  1. Zunächst umschreibst du die Zielgruppe für die Stelle grob. Überlege, wer eure idealen Bewerber sind und welchen fachlichen, beruflichen und persönlichen Background die Personen haben sollten.
  2. Konkretisiere dann zum einen die wünschenswerten konkreten Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, aber vor allem auch Charakter-Eigenschaften, die die Personen mitbringen sollen.
  3. Gehe noch einen Schritt weiter: Versuche dich in solche Personen hineinzuversetzen und überlege, in welcher typischen Lebens- und Arbeitssituation diese Personen wohl aktuell stecken, welche Ziele sie haben, welche Vorstellungen vom Job, Aufgaben, Arbeitsbedingungen und Arbeitgeberleistungen, welche Bedürfnisse und Ängste, wofür sie sich interessieren, wie und wo sie sich wohl informieren etc.
  4. Sammle dazu Informationen: Was hast du z.B. aus Bewerbungen und Gesprächen mit ähnlichen Bewerbenden in letzter Zeit an Informationen mitgenommen, frage Mitarbeitende oder andere Personen in deinem Umfeld mit ähnlichen Background, stöbere in Sozialen Medien, schau dir Studien-/Umfrageergebnisse zur Zielgruppe an usw.
  5. Erstelle aus all diesen Infos ein strukturiertes Profil der fiktiven Zielpersonen, z.B. in einer Tabelle.
  6. Überlege dann, wie die Aufgaben, das Arbeitsumfeld, eure Rahmenbedingungen und Arbeitgeberleistungen zu dieser Persona passen.
  7. Passe entsprechend Stellenanzeigen, Karriereseiten und Bewerbungsprozesse an die Bedürfnisse, Erwartungen und ggf. auch das Wording der Zielgruppe an. So, dass sie sich gut abgeholt und verstanden fühlen.

Und das sind oft genannte und erlebte Gründe gegen die Erstellung einer Candidate Persona

Aufwand

In vielen Fälle stehen Recruiter unter einem hohen Workload und den Hiring Managern geht es ebenso. Oft fällt durch diese zeitliche Eingespanntheit sogar das Briefing ganz aus oder wird nur schmalspurig durchgeführt. Da noch Zeit für zusätzliche Überlegungen, ggf. Recherchen und Abstimmungen zu investieren, wird dann als “too much” empfunden.

Aber auch der ggf. verzögerte Start der Stellenbesetzung, weil man sich mit der Entwicklung einer Candidate Persona schwer tut, kann ein Ablehnungsgrund sein. Denn in der heutigen Zeit ohne große Personalplanung werden Stellenbesetzungen oft erst kurz vor knapp angestoßen. Und dann soll es bitte schnell gehen.

Nicht festlegen wollen

In Zeiten enger Arbeitsmärkte und geringer Bewerbungszahlen tendieren viele Hiring Manager und Recruiter dazu, lieber sehr allgemein auf die Suche zu gehen. Anforderungen werden möglichst weit definiert und schwammig gehalten. Die Idee: dann bewerben sich mehr Personen.

Oft ein Trugschluss. Bei vielen Kandidaten wirken z.B. sehr weit gefasste Ausschreibungen eher beliebig. Sie vermissen dann Anker, um für sich zu prüfen, ob sie passen und eine Bewerbung wirklich lohnt – und entscheiden sich dann für eine Bewerbung woanders. Andere fühlen sich motiviert, sich zu bewerben, weil irgendein Stichwort aus ihrer Sicht zu ihnen passt – obwohl ihr Profil gänzlich unpassend ist. So gehen vielleicht ein paar mehr, aber leider eher unpassende Bewerbungen ein.

Auch bei nachgelagerten Interviews zeigt sich, dass fehlende Anker für die Bewertung von Kandidaten (wie eine Persona sie hergäbe) zu wenig zielgerichteten Fragen im Interview und damit zu Problemen bei der Bewertung der Passung führen. Dadurch werden unnötig viele Interviews geführt, um vielleicht doch noch zufällig jemand wie auch immer Passendes zu finden. Das zieht Prozesse in die Länge und führt nicht selten zu zweifelhaften Entscheidungen mit hohem Potenzial für Fehlgriffe.

Unwissen zur Erstellung einer Candidate Persona

Obwohl das Konzept der Candidate Persona nicht neu ist und in vielen Fach-/Blogbeiträgen und öffentlichen Vorträgen immer wieder thematisiert wird, wissen viele Recruiter und noch mehr Hiring Manager nicht, was es damit auf sich hat. Das erleben wir regelmäßig sowohl bei Briefings in unserer Rolle als Recruiter als auch bei Trainings, die wir durchführen. Und wer ein Konzept nicht kennt, kann es auch nicht anwenden und auch nicht die Vor-/Nachteile für sich bewerten.

Unkenntnis über mögliche Informationsquellen

Was ebenfalls beobachtbar ist: Diejenigen, die dem Konzept etwas abgewinnen und die Vorteile durchaus erkennen, fragen sich oft, wie sie denn zu den relevanten Informationen kommen können. Gerade in Bezug auf die Kenntnis von Studien-/Umfrage-Ergebnissen zu Zielen, Erwartungen, Bedürfnissen potenzieller Zielgruppen gibt es viel Unwissen. Obwohl es jedes Jahr unzählige Umfragen gibt und diese auch veröffentlicht und in Webinaren und Konferenzen präsentiert werden, sie werden von vielen nicht wahrgenommen oder schnell wieder vergessen.

Unsere Learnings daraus

  • Wir integrieren in unsere Briefings mit Hiring Managern das Thema Candidate Persona als festen Besprechungspunkt. Dazu haben wir ein Raster entwickelt, mit dem wir schnell eine “smarte” Candidate Person strukturiert besprechen können. Die Folge: es gibt immer seltener lange Listen an Anforderungen im Stichwortformat, die alle nice to have wären. Stattdessen konkret umschriebene fachlicher und methodischer Anforderungen sowie Beschreibungen sozialer und persönlicher Merkmale gut passender Personen. Und so gibt es auch seltener Ablehnungen von Bewerbungen durch Hiring Manager, weil “man so einen Typ eigentlich nicht haben möchte”. Stattdessen öfter Lob, dass vorgeschlagene Kandidaten genau “ins Beuteschema” passen.
  • In unseren Seminaren ist das Candidate Persona-Konzept an passenden Stellen integraler Bestandteil. Und unsere jährliche Linkliste zu Recruiting-Studien gibt es als Bonus obendrauf. Das vereinfacht den Suchaufwand nach potenziellen Studien, die an einem vorbei gelaufen sind oder die man sich nicht so genau angesehen hat.
  • Und natürlich werden wir auch nicht müde in unserem Fachportal Rekrutierungsfolg.de auf einschlägige Studien und Umfrage-Ergebnisse hinzuweisen und ausgewählte davon auch im Newsletter des Portals update Recruiting monatlich in Erinnerung zu bringen.

* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.