Recruiter-Kompetenz ausbauen – aber wie? Über Seminare, Webinare und Online-Kurse

Seminargruppe
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In Standardthemen wie der Gestaltung einer angenehmen Gesprächsatmosphäre, kompetenzorientierter Interviewführung, Präsentation des Unternehmens sowie strukturierter Gesprächsführung fühlen sich die meisten Unternehmensvertreter (Personal- wie Fachbereich) gut aufgestellt. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage der Internationalen Personalberatung interpool Personal GmbH unter Personalern und Führungskräften zu Lernbedarfen bei der Personalauswahl und zum Stellenwert von Interviewtrainings. Die Umfrage erfolgte in 12/2013 und 01/2014. Befragt wurden 450 in Deutschland ansässigen Unternehmen, von denen 123 antworteten.

Für klassische Gespräche gut aufgestellt – Lernbedarf bei Variationen und ergänzender Diagnostik

Einschätzung eigene Qualität Personalauswahl
Quelle: interpool Personal GmbH: Zwischen Globalisierung und Demographischem Wandel – Trends und Herausforderungen in der Personalauswahl heute, 2014

Entwicklungsbedarfe werden hingegen bei der Anwendung unterschiedlicher Fragetechniken sowie der Einbindung ergänzender diagnostischer Personalauswahlinstrumente wie Arbeitsproben, Rollenspiele, Präsentationen in Gesprächssituationen gesehen. Als recht gering ausgeprägt wird das Wissen um die Standardisierung von Bewerbungsgesprächen und -qualitäten an verschiedenen internationalen Standorten sowie der Einsatz von Testverfahren in der Auswahl von Bewerbern eingeschätzt.

Trotz Entwicklungsbedarf wenig Teilnahme an Interview-Trainings

Obwohl man durchaus selbstkritisch Schwächen bei der Personalauswahl feststellt, haben in nur 55% der befragten Unternehmen alle oder die meisten Personaler sowie nur in 15% der Unternehmen die meisten oder alle ins Recruiting einbezogenen Vertreter von Fachabteilungen schon einmal an einem Interviewtraining teilgenommen.

 Was sind mögliche Gründe dafür?

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  • Die Qualität der Personalauswahl wird trotzdem als ausreichend hoch bewertet, so dass kein Verbesserungsbedarf gesehen wird.
  • Man scheut den zeitlichen oder finanziellen Aufwand für entsprechende Trainings.
  • Learning-by-Doing wird einem strukturierten Training vorgezogen.
  • Man hat zu wenig Überblick über die Trainingsangebote und glaubt, dass man in Trainings nur das vermittelt bekommt, was man eh schon kann (siehe oben).

Blick auf den Weiterbildungsmarkt für Recruiter

Wir haben in den letzten Monaten (Januar bis Mai 2014) den Weiterbildungsmarkt systematisch beobachtet und dabei auch das Angebot an Präsenz-Seminaren in bekannten Seminarbörsen (Seminarmarkt.de, Seminus.de und Seminarportal.de) ausgewertet. Das sind die Ergebnisse:

Seminar-Themen, Dauer und Kosten 

  1. Social Media, Personalmarketing, Employer Branding
  2. Personalbeschaffung und Recruiting allgemein
  3. Bewerberauswahl und Interviewführung
  4. weitere Themen wie Generation Y, Active Sourcing

Es werden in der Tat etwas mehr zweitägige (56%) als eintägige Seminare (44%) angeboten. Ein eintägiges Seminar kostet durchschnittlich 634 EUR (netto), eine zweitägige Veranstaltung 1.082 EUR (netto).

Insgesamt könnte damit der Aufwand tatsächlich gegen eine Seminarteilnahme sprechen, insbesondere, da oftmals noch Fahrt- und Übernachtungskosten einkalkuliert werden müssen; das Themenspektrum geht jedoch deutlich über die klassischen Angebote der Interviewführung hinaus, so dass sicher Angebote zur Deckung des o.g. Entwicklungsbedarfs gefunden werden können.

Alternativen zu klassischen Seminaren

Neben den klassischen Präsenz-Seminaren haben sich neue Weiterbildungsformen herausgebildet, die wir im Selbstversuch getestet haben.

Webinare/WebConferencen

Bei dieser Form der Weiterbildung handelt es sich um kurze Vortragssequenzen/Präsentationen (20 – 60 Minuten je Thema), die häufig kostenfrei oder zu kleinem Preis zu festgelegten Terminen angeboten werden. Sie haben den Vorteil, dass man dazu nicht das Büro verlassen braucht und über Web-/Telefonkonferenz dem Webinar am eigenen Bildschirm folgen kann. Der Austausch untereinander ist allenfalls über Chat möglich, der i.d.R. auch genutzt wird, um Fragen an den Vortragenden zu stellen. Als störend empfunden werden kann, dass manche der Webinare einen starken Selbst- oder Produktpräsentationscharakter haben. Einen Erfahrungsbericht zu einer HR WebCo lesen Sie hier.

Online-Kursangebote

Bei diesen Angeboten kommt man klassischen Seminaren deutlich näher. Sie bestehen meist aus mehreren Modulen, sind ergänzt um Lernmaterialien, Quiz-/Testfragen zur Überprüfung des Gelernten und schließen teilweise sogar mit einem Test/Zertifikat ab. Der Vorteil liegt in der zeitlichen Flexibilität: man kann die Kurse dann durcharbeiten, wann man Zeit hat und sie beliebig oft unterbrechen oder wiederholen. Sie erfordern aber auch eine gewisse Selbstdisziplin, um dran zu bleiben. Die Kosten liegen i.d.R. deutlich unter Präsenzseminaren, außerdem entfallen auch hier die Reisekosten.

Beispiel Lecturio – Kurs Professionelle Personalauswahl

Lecturio bietet verschiedene Weiterbildungskurse online an. Diese können zu einem überschaubaren Preis gebucht werden (monatliche Zahlung über 12 Monate  oder rabattierter Pauschalpreis für ein Jahr). Nach Anlage eines passwortgeschützen Nutzerprofils  kann man einen Online-Kurs kaufen und dann mit dem Lernen starten. Der Kurs ist in verschiedene Module unterteilt, die man nach Belieben bearbeiten kann. Unterbrechen, ausloggen und wieder einloggen ist jederzeit und beliebig oft möglich.

Überblick Onlinekurs Professionelle Personalauswahl Lecturio

Man sieht auf einen Blick die verschiedenen Modul-Themen, den Dozenten, die Dauer des jeweiligen Moduls und ob man bereits das Modul besucht hat. Nach Klick auf das gewünschte Modul geht der Online-Kurs in einem übersichtlichen Fenster auf. Dieses ist mehrgeteilt: links sieht man den Dozenten und die Gliederung des Moduls zur Orientierung und rechts wird der Foliensatz eingeblendet. Die Fenster können dabei auch gewechselt werden, d.h. wenn jemand wie bei einem Live-Seminar lieber den Fokus auf den Dozenten legt, kann dieses Fenster auch im rechten größeren Bereich anzeigen lassen. Auch kann die Fenstergröße verändert werden und dem Bildschirm und den individuellen Vorlieben angepasst werden.

Einblick in Onlinekurs Lecturio

Nach drücken auf den Startbutton kann man dem Kursmodul sowohl visuell als auch akustisch folgen. Auch ein schnelleres “Vorspulen”, z.B. bei bereits bekannten Inhalten, ist über den Fortschrittsbalken am unteren Rand jederzeit möglich. Ebenso kann natürlich auch “zurück gespult” werden oder durch die Pause-Taste der Kurs unterbrochen werden. Marker wie in diesem Fall bei den jeweiligen Folienwechseln ermöglichen das gezielte Wiederholen einzelner Inhaltsabschnitte.

Für die eigene Zeitplanung ist die Gesamtzeit und die verbleibende Restzeit des Moduls immer unten rechts ersichtlich. Während des Vortages kann man sich in einem Extrafeld rechts neben der Präsentation Notizen machen oder Lesezeichen setzen. Auch eine Kommentierung des Moduls ist in einem gesonderten Fenster möglich. Natürlich ist auch eine Vollbildansicht möglich. Hat man ein Modul nicht ganz zu Ende verfolgt, wird automatisch ein Marker gesetzt. So kann das Modul zu einem späteren Zeitpunkt genau an dieser Stelle ohne langes Suchen fortgesetzt werden.

Unsere Bewertung: 

Technisch hat uns der Online-Kurs “Professionelle Personalauswahl” von Lecturio überzeugt.

  • Die Benutzerführung ist weitgehend intuitiv.
  • Die plattform-unabhängige Bereitstellung über den Internet-Browser ermöglicht eine räumlich und zeitlich sehr flexible Bearbeitung der Kurse.
  • Der Bildschirmaufbau kann an die eigenen Vorlieben bzgl. Größe, Verteilung und Fokus angepasst werden.
  • Die Navigation innerhalb der Kurse ist einfach und bietet damit das Setzen individueller Schwerpunkte.

Bezüglich der inhaltlichen Umsetzung ist unsere Bewertung differenzierter:

  • Der Kurs bietet einen sehr guten Einblick in die Struktur der Personalauswahl.
  • Es fließen interessante Beispiele aus der Praxis ein, so dass die eher theoretischen Anteile nicht den praktischen Bezug verlieren.
  • Die Präsentationsmaterialien werden als Download angeboten;  weitere Materialien (Beispiele für Interviewfragen, Muster-Anforderungsprofil, Muster Entscheidungsmatrix) wären eine gute Ergänzung.
  • Der Referent gibt an verschiedenen Stellen Tipps, die umgehend in die Personalauswahlpraxis von Unternehmen aufgenommen werden können.
  • Bei verwendeten Grafiken, statistischen Aussagen oder Kostenangaben wären Quellenangaben wünschenswert.
  • Eine objektive Bewertung von Auswahl-Methoden (z.B. kompetenzbasierte Interviews vs. Assessment Center) wäre einer subjektiven Einordnung vorzuziehen.
  • Der Kurs könnte durch weiterführende Themen bereichert werden, wie verschiedene Fragetechniken, rechtliche Aspekte (insbesondere AGG), Umgang mit verschiedenen Bewerbertypen, ergänzende Assessment Elemente (das Stichwort Rollenspiele wird zwar aufgegriffen, aber hinsichtlich  Inhalt, Konzeption und Aufwand verkürzt dargestellt).
  • Insgesamt könnte der Kurs noch etwas gestrafft werden und durch Einsatz verschiedener Dozenten und zusätzlicher Präsentationselemente aufgelockert werden.

Unser Fazit

Es gibt einen Bedarf an der Weiterentwicklung der Recruiting- und hier insbesondere der Personalauswahlkompetenz via Interview. Allerdings fehlt es noch an Initialzündungen in Personal- wie Fachbereichen, den Ausbau ihrer vorhandenen Kompetenzen auch tatsächlich in Angriff zu nehmen. Eine solche Initialzündung könnte z.B. ein Bewerberfeedback im Rahmen einer Bewerberbefragung oder ein kollegiales Feedback zwischen HR und Fachbereich auslösen.

Um die Recruiting-Kompetenz auszubauen und insbesondere an den erkannten Entwicklungsbedarfen zu arbeiten gibt es neben klassischen  Seminarangeboten inzwischen interessante Lösungen, die zeit- und kostenökonomische Vorteile  bieten. Aber auch klassische Seminarangebote haben einen Markt – wenn Sie stärker die Themen aufgreifen, zu denen Bedarf besteht und diese zeitlich komprimiert und zu vertretbaren Kosten anbieten. Für ideal halten wir eine Kombination: Wissensvermittlung online, Erfahrungsaustausch und Training in Kleingruppen offline – zum “Learning by doing”.

 

Bildnachweis:  arbeitsgruppe mit laptop © contrastwerkstatt – Fotolia.com


* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Karl-Heinrich Bruckschen
Karl-Heinrich Bruckschen
... unterstützt mit upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg Arbeitgeber bei der Professionalisierung ihres Recruitings durch Recruiting Checks und Beratung, Konzeption von Recruiting Instrumenten, operative Recruiting Services (RPO) oder den Ausbau von Recruiting Kompetenz durch Webinare, Seminare und Workshops. Sein besonderes Augenmerk liegt auf der Verbindung von IT und Recruiting. Daher ist er auch verantwortlich für das Fachportal Rekrutierungserfolg.de.
Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.