Weltweit steigen Gehaltsunterschiede – Deutschland stabil

Der Lohnunterschied von einfachen Angestellten und von erfahrenen Führungskräften ist in den vergangenen zehn Jahren weltweit um 21,6 Prozent gewachsen. Mit gerade einmal 1,6 Prozent hat Europa darin die niedrigsten Steigerungen verzeichnet, Deutschland liegt bei 0,5 Prozent. Im Vergleich: im Vereinigten Königreich ist der Gehaltsabstand um 9,3 Prozent gestiegen, in den USA um 12,2 Prozent. Das ist das Ergebnis einer aktuellen weltweiten Untersuchung der Personal- und Organisationsberatung Korn Ferry.

  • Der weltweit größte Zuwachs an Ungleichheit findet im Nahen Osten statt (57,8 Prozent)
  • In China partizipieren viele Menschen am Wohlstand, der Unterschied im Gehaltsgefüge wächst nur um 2,6 Prozent (Asien: 15,3 Prozent)
  • Größte Steigerung in westlichen Industrienationen in den USA verzeichnet

In einigen europäischen Ländern hat sich der Abstand zwischen Gering- und Spitzenverdienern verringert. Dazu zählen unter anderem Polen (-13,4 Prozent), Frankreich und Luxemburg (beide -5,8 Prozent), Österreich (-4,1 Prozent), die Schweiz (-3,7 Prozent) und Italien (-3,1 Prozent). Die stärksten Steigerungen wurden in Griechenland (10,9 Prozent), Portugal (10,4 Prozent) und im Vereinigten Königreich (9,3 Prozent) verzeichnet.

"Die Gehaltsschere geht zwar weltweit immer deutlicher auseinander, nicht aber in diesem Maße in Europa und insbesondere auch nicht in Deutschland", sagt Christine Seibel, Vergütungsexpertin bei Korn Ferry. "Das sollte allerdings nicht mit den Vermögensverhältnissen gleichgesetzt werden. Es wurde hier nicht der Reichtum, sondern einzig die Veränderung des Lohnunterschieds zwischen zwei deutlich voneinander entfernt liegenden Hierarchieebenen untersucht. Nicht eingeschlossen in die Untersuchung sind Vorstände und Geschäftsführungen. Das würde das Bild deutlich verändern."

Gesellschaften mit traditionell ausgeprägten Ungleichheiten manifestieren diese in einem steigenden Gehaltsunterschied

Spitzenreiter in einem wachsenden Lohnunterschied ist weltweit der Nahe Osten. Dort ist der Verdienstunterschied von Angestellten zu Führungskräften um 57,8 Prozent gewachsen, dicht gefolgt von Afrika mit 48,5 Prozent. In Asien betrug das Wachstum 15,3 Prozent, in Südamerika 12,5 Prozent, in Nordamerika 9,0 Prozent und im Pazifischen Raum einschließlich Australien und Neuseeland 6,5 Prozent.

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"Der Bedarf an Arbeitskräften ist in den Schwellenländern mit steigender Produktion deutlich gewachsen", sagt Christine Seibel. "Die Einstiegsgehälter sind gestiegen, teils gibt es einen Mindestlohn und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verhandeln immer mehr auf institutionalisiertem Wege ihre Löhne und Gehälter. Das führt dazu, dass vor allem in Gesellschaften mit ohnehin vorherrschender großer Ungleichheit, bei denen nur kleine Eliten am Wachstum partizipieren, der Lohnunterschied deutlich stärker wächst als in Gesellschaften, in denen immer mehr Menschen vom wachsenden Wohlstand partizipieren. Das hat es diesen Gesellschaften teils durch niedrige Löhne allerdings auch ermöglicht, ihr gesamtgesellschaftliches Wachstum schneller voran zu treiben."

Zu große Stabilität kann zu Lasten von Innovationsfähigkeit gehen

So hat sich in China der Gehaltsunterschied nur um 2,6 Prozent verändert, in Indien (66,0 Prozent), Ägypten (60,0 Prozent) oder Saudi-Arabien (55,3 Prozent) aber ganz deutlich. Der Vereinigten Staaten von Amerika führen mit 12,2 Prozent die westlichen Industrienationen an.

Christine Seibel sagt: "Die USA stehen seit jeher für das Zulassen von teils drastischer Ungleichheit. Das ist zum einen Kern ihres gesellschaftlichen Antriebs, zum anderen immer wieder ein Kritikpunkt auch im Besonderen aus Europa gewesen. Über die Weltwirtschaftskrise sind die Löhne für Einsteiger und einfache Angestellte nicht im gleichen Maße gestiegen wie für Spezialisten und Führungskräfte, insbesondere im boomenden Digital-Bereich in Kalifornien."

"Deutschland dagegen steht mit einer minimalen Steigerung für das, was man aus der Sicht eines Dritten erwarten würde: Stabilität", sagt Christine Seibel. "Durch diese Stabilität fehlt Deutschland gleichzeitig immer auch ein stückweit die Flexibilität, mit der auf geänderte Rahmenbedingungen rasch reagiert werden kann. Für die Zukunft gilt es zu schauen, welche Top-Experten deutsche Unternehmen am Weltmarkt einkaufen müssen. Und genau zu prüfen: Welches Gehalt ist attraktiv, um den Arbeits- und Lebensmittelpunkt nach Deutschland zu verlegen. Das kann zu einer Steigerung der Ungleichheit in der Bezahlung führen, für die Innovationskraft des Landes jedoch von höchster Bedeutung sein."

Pressemitteilung