Mensch oder Stellenbesetzer? Warum es so wichtig ist, ein Bewerberversteher zu sein

Mensch oder Stellenbesetzer? Bewerberversteher sein

„Auch wenn ich nicht mehr für die „zweite Runde“ eingeladen werde, so möchte ich es auf keinen Fall versäumen, mich bei Ihnen zu bedanken. Die Bewerbung hat richtig Spaß gemacht. Zack, zack, ohne große Verzögerungen, offen und ehrlich die Meinung gesagt. So liebe ich es und dafür möchte ich mich in aller Form bei Ihnen bedanken! Toll auch, dass Sie mir eine Begründung für meine Ablehnung gegeben haben. So kann ich für die Zukunft darauf achten. Mein Urteil über Sie: Vorbildlich! Sie würde ich einstellen, wenn ich eine Stelle neu zu besetzen hätte.“ 

Welch tolles Feedback, das wir da erhalten haben. Und ich zitiere das hier nicht, um uns selbst zu beweihräuchern, sondern um zu zeigen, was ein tiefgehendes Bewerber- und Zielgruppenverständnis möglich macht. Nämlich: einen Draht zueinander zu finden und eine Mensch zu Mensch-Kommunikation zu führen. Und so einen Unterschied zu machen, der haften bleibt.

Wie das entlang des Recruitingprozesses möglich ist, darum geht es hier in den nächsten paar Minuten.

Was Bewerberversteher anders machen

Gestalten von Stellenanzeigen und Jobpostings

Ein gutes Verständnis von Bewerbenden allgemein und der Zielgruppe im Speziellen ermöglicht es, Stellenanzeigen auf deren Informationswünsche und Interessen auszurichten. Die dabei verwendete Sprache, Tonalität und Inhalte geben Bewerbenden einen ersten Eindruck davon, ob du die Zielgruppe verstehst und die Position sowie den Arbeitgeber ansprechend beschreiben und “schmackhaft” machen kannst. Nur ein Beispiel, an dem dies besonders gut sichtbar wird, ist die Passung bzw. Priorisierung der genannten Arbeitgebervorteile.

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Bewerbungs-/Kennenlernprozess

Während des Kennenlernens sensibilisiert ein tiefergehendes Bewerberverständnis dafür, dass der Prozess reibungslos, benutzerfreundlich und transparent verläuft und alle Beteiligten ihr Handeln danach ausrichten. Dies signalisiert den Bewerbenden, dass ihre Bedürfnisse und Erwartungen verstanden und wertgeschätzt werden. Und dies wiederum trägt dazu bei, die Zufriedenheit der Kandidaten zu erhöhen und Abbruchquoten zu reduzieren.

Kommunikation und Interaktion

Ein Verständnis für die Bedürfnisse und Präferenzen der Zielgruppe ist entscheidend für die Kommunikation und Interaktion mit Bewerbern während des gesamten Rekrutierungsprozesses, sei es per E-Mail, Telefon oder persönlich. Die Art und Weise, wie und auf welchem Weg du mit Bewerbenden kommunizierst, zeigt, ob du die Bedürfnisse und Präferenzen der Zielgruppe verstehst.

Vorstellungsgespräche und Assessment Center

Ein gutes Bewerberverständnis hilft dir dabei, passendere Fragen zu stellen und proaktiv relevante Informationen zu geben. So können z.B. situative Fragen in die Lebenswelt der Zielgruppe passen oder eben auch nicht. Gut vorbereitete und strukturierte Vorstellungsgespräche/ ACs, die auf die individuellen Profile der Bewerbenden und ihrer potenziellen Erwartungen, Ziele und Pain Points eingehen, zeigen, dass du ein tiefes Verständnis für die Bewerbenden hast. Das zeigt sich z.B. auch in der Phase des Sellcruiting, in der es darum geht, den Arbeitgeber zielgruppengerecht “zu verkaufen”.

Feedback und Updates

Ein konstruktives, zur Situation des Bewerbers passendes Feedback und das regelmäßige Follow-up während des Bewerbungsprozesses zeigt Bewerbern, dass du ihre Erwartungen respektierst, ihnen aufmerksam zuhörst und dich um sie kümmerst. Das gilt ebenso für deine Reaktion auf eine Eigenabsage des Kandidaten.

Onboarding-Prozess

Ein Bewerberverständnis ist auch nach der Einstellung wichtig. Es ermöglicht den Onboarding-Prozess zu personalisieren und so sicherzustellen, dass neue Mitarbeiter einen reibungslosen Start haben und sich schnell im Unternehmen integrieren können. Das vermittelt das Gefühl, wirklich willkommen und nicht nur eine Person von vielen zu sein.

Talentmanagement

Selbst nach einer Absage ist es wichtig, den Kontakt zu den Bewerbern zu halten und eine positive Beziehung zu gestalten, um potenzielle Kandidaten für zukünftige Stellen oder Empfehlungen zu gewinnen. Mit Bewerber- und Zielgruppenkenntnis kann man das z.B. zu passenden Anlässen, mit relevanten Informationen und in der passenden Sprache tun.

Recruiting-Studien – Informationsquelle für Bewerberversteher

Neben einschlägigen Blogs und Podcasts , Recruiting- oder Personaler-Messen sowie Webinaren, WebCos und After-Work-Formaten sind Recruiting Studien DIE Quelle zur Gewinnung von Informationen zu und zur Entwicklung eines Verständnisses für Bewerbende und Bewerberzielgruppen.

Daher ist es sinnvoll, sich regelmäßig mit aktuellen Studienergebnissen zu beschäftigen und die für das eigene Recruiting relevanten Informationen daraus zu nutzen, um das Personalmarketing, den Kennenlernprozess oder das Onboarding zu optimieren oder an veränderte Erwartungen und Präferenzen auszurichten.

Nicht zu unterschätzen ist auch der Wert konkreter Studienergebnisse in der Kommunikation mit dem Management. Hier gehören Zahlen, Daten, Fakten zum Tagesgeschäft und wer z.B. Entscheidungsvorlagen oder Budgetplanungen mit Zahlen untermauern kann, spricht mehr die Sprache des Management und hat auch eine größere Wahrscheinlichkeit Gehör zu finden.

Zwei häufig in der Praxis genannte Gegenargumente gegen die Beschäftigung mit Studien sind:

Hemmnis Nr. 1: Zeitaufwand

Die meisten Recruiter & Co. stolpern eher zufällig über Studien, z.B. in Blogs, Webinaren, Vorträgen oder einschlägigen Personalzeitschriften. Daher laufen die meisten Studien- oder Umfrage-Ergebnisse an ihnen vorbei. Und oft verfestigen sich auch einmal gehörte/gelesene Ergebnisse, obwohl sich die Welt inzwischen weitergedreht hat. Ein schönes Beispiel ist das Thema Gehalt, das im Kopf nicht weniger Recruiter und Hiring Manager im Vergleich zu Work-Life-Ballance oder Entwicklungsmöglichkeiten vermeintlich eine untergeordnete Rolle spielt. Ein Ergebnis von gestern.

Sich regelmäßig schlau zu machen und dafür nicht unendlich viel Zeit für Recherchen zu investieren, ist möglich. Zwei Beispiele dafür:

  • Die (jährlich neu erstellte) Linkliste Recruiting Studien ’23/’24 von upo und unserem Fachportal – in diesem Jahr mit gut 80 Studien, systematisiert und größtenteils mit Quickinfos versehen.
  • Unser Fachportal Rekrutierungserfolg.de selbst – hier werden laufend aktuelle Studien-Hinweise eingepflegt und die besagten Quickinfos hinterlegt. Eine eigene Rubrik ermöglicht ein schnelles Scannen der Recruiting-Studien, auch nach ausgewählten Kategorien.

Hemmnis Nr. 2: Unsicherheit in der Bewertung von Studien-Ergebnissen

Um es gleich vorweg zu sagen: ja, es gibt deutliche qualitative Unterschiede in der Studienanlage wie in der Auswertung und Präsentation von Studienergebnissen. Hier ein paar Beispiele:

  • Natürlich macht es großen Eindruck, wenn z.B. 10.000 Personaler befragt wurden. Wenn die Ergebnisse jedoch auf etwa 100 Antworten zurückgehen, dann sind sie schon anderes einzuordnen.
  • Wenn die Teilnehmer zu einer Befragung zum Einsatz von Social Media im Recruiting überwiegend über Blogs und Foren in sozialen Netzwerken gewonnen werden, dürfte deren höhere Affinität zur Social Media-Nutzung zu anderen Ergebnissen führen als wenn die Teilnehmer über andere Wege gewonnen worden wären.
  • Wenn ein Testanbieter Studienergebnisse präsentiert, die eine hohe Prognosekraft von Testverfahren für Berufserfolg haben, dann ist dies sicher anders zu bewerten, als wenn eine unabhängige Institution die Güte verschiedener Auswahlmethoden untersucht.
  • Und wenn eine Umfrage ermittelt, dass x% der Bewerber dies oder das  wollen, dann ist die Aussage anders einzuordnen je nachdem, ob 100 oder 1.000 Bewerber befragt wurden und ob die Befragten Jugendliche, Absolventen oder Best-Ager, Produktionsmitarbeitende oder Führungskräfte waren.

Daher sollte man Studien- und Umfrage-Ergebnisse auch nicht einfach unreflektiert verinnerlichen und verwenden. Vielmehr ist es sinnvoll, immer ein paar “Prüf-Kriterien” beim Sichten von Studien im Hinterkopf zu haben und die Ergebnisse im Kontext der eigenen Prüfergebnisse zu sehen.

Zu den Kriterien gehören wer befragt wurde, die Größe und Repräsentativität der Stichprobe, von wem die Studie durchgeführt bzw. beauftragt wurde, wie die Ergebnisse ausgewertet wurden, ob dabei wichtige Kontextfaktoren (z.B. Branchenspezifika oder soziodemografische Daten) eingeflossen sind und ob die Ergebnisse wirklich Praxisrelevanz haben.

Halten wir fest

  • Bewerber- und Zielgruppenverständnis ermöglicht an vielen Stellen entlang des Recruiting-Prozesses deutlich mehr Augenhöhe zwischen Arbeitgeber und (potenziell) Bewerbenden. Und trägt damit zu einer positiven Candidate Experience bei.
  • Recruiting Studien bieten einen wertvollen Fundus an Informationen zum Auf- und Ausbau dieser Bewerber- und Zielgruppen-Expertise.
  • Der Zeitaufwand für das Recherchieren von für einen selbst relevanten Recruiting-Studien lässt sich durch die Nutzung einschlägiger Hilfsinstrumente wie einer gut gepflegten Linkliste oder dem Fachportal Rekrutierungserfolg.de in Grenzen halten.
  • Die Unsicherheit bzgl. der Qualität und Aussagekraft von Studien kann man einschätzen lernen, wenn man die Studienergebnisse anhand einiger “Prüfkriterien” reflektiert.

* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.