Backstage | Tom*, neuer Hiring Manager bei einem unserer Recruiting Service-Auftraggeber, ist mutig. Weil er etwas zugab, das manch Hiring Manager überspielt und einfach macht. Wir haben ihn im Recruiting-Prozess für recht schwierig zu besetzende Stellen im Ingenieur-Bereich begleitet und gerade für ihn die ersten Interview-Termine vereinbart. Diese führen Hiring Manager bei diesem Unternehmen i.d.R. alleine. Und da fragte er mich nach einer Rücksprache ganz unverblühmt: “Sag mal, wie führe ich denn so ein Gespräch am besten?”
Hiring Manager zu sein heißt nicht zwangsläufig Interview-Kompetenz haben
Ich stutzte, er war ja Hiring Manager und hatte auch beim vorherigen Arbeitgeber schon eine Führungsrolle inne. Aber: Dort hätte er immer nur dabei sei dürfen, wäre aber nie verantwortlich gewesen. Sein Chef hätte die Gespräche immer geführt. Und SO wolle er es nicht machen. Und er wolle auch nicht einfach mal so in das eigenständige Führen von Gesprächen hineinstolpern.
Die Crash-Kurs & Coaching-Methode
Ok, hier war also Handlungsbedarf, und zwar schnell angesichts der anstehenden Termine. Nach kurzer Rücksprache mit unserem Auftraggeber verabredeten wir uns zu einem Mini-Crashkurs zur Interviewführung. Darin vermittelte ich ihm die wichtigsten To-dos zu Vorbereitung und Durchführung, wir formulierten Beispiele für fachliche und kompetenzbasierte Fragen, besprachen mögliche “Problemzonen” im Gespräch, streiften das Thema Sellcruiting und Bewerber-FAQ.
Damit gerüstet zog er los. Nach den ersten Gesprächen rief er an. Mensch, er wäre richtig nervös vor dem ersten Gespräch gewesen, aber all die Tipps hätten ihm sehr geholfen. Er habe sich inzwischen sogar wie empfohlen einen kleinen Interviewleitfaden zusammengestellt. So klappe es ganz gut.
Natürlich hatte er noch Fragen im Detail, denn kein Bewerber und keine Interview-Situation gleicht der anderen. So machten wir über den restlichen Prozess hinweg weiter – Tom fragte bei Bedarf, ich gab Hilfestellung. Seine Quintessenz nach der Stellenbesetzung: Klasse, nicht nur die Stellen sind besetzt, ich hab noch richtig was gelernt.
Das Learning für mich: Bei den Briefings thematisieren wir den möglichen Bedarf an Vermittlung von Interview-Know-how und bieten bei Bedarf aktiv ein kollegiales Coaching an. Noch gibt es etwas Zurückhaltung, aber man merkt an den Reaktionen dennoch, dass das Angebot ins Schwarze trifft.
Recruitingaufgaben kann man nicht einfach so delegieren
Andere Situation bei einem anderen Arbeitgeber: Eigentlich wollte man dem Wunsch von Hiring Managern nachkommen, Recruiting mehr eigenständiger zu machen und damit auch den Recruitingprozess beschleunigen. Das Recruiting wurde deshalb an die Hiring Manager delegiert, HR fokussierte sich auf Betreuungsthemen und Marie* wurde als “hauptamtliche” Recruiterin installiert, deren Fokus Employer Branding/ Personalmarketing einerseits und die bedarfsweise Beratung von Hiring Managern andererseits ist.
Soweit so gut. Schnell aber bemerkte man, dass die organisatorische Lösung einen Haken hat. Viele der Hiring-Manager taten sich ohne Unterstützung von HR mit Einstellungsentscheidungen nach Interviews schwer. Kritische Kommentare bei Kununu nahmen ebenso zu wie Frühfluktuation. Die Qualität der Stellenanzeigen driftete auseinander. Und Marie wurde häufiger kontaktiert als gedacht. Kurzum: Der Bedarf an Schulungen/ Coachings war offensichtlich. Marie konnte das aber weder stemmen noch war sie Trainerin.
Die snackable Trainings-Methode
Bei der Suche nach externer Unterstützung kamen wir dann ins Spiel. Wir entwickelten ein passendes Trainings-/Workshop-Konzept, das auf die wichtigsten Aufgaben der Hiring Manager in diesem Recruiting-Prozess abzielte, die vorhandenen Prozesse, Standards und Tools integrierte, “snackable” für die Hiring Manager mit ihren vollen Terminkalendern war und Praxistransfer beinhaltete.
Heraus kam ein Live-Online-Angebot, modular aufgebaut, in gut machbaren Einheiten mit viel Interaktion und Transferaufgaben. Durchgeführt von jemandem, der sowohl die Recruiting-Seite als auch die der Hiring Manager kennt und Trainingserfahrung mitbringt.
Nach der ersten Runde, die sehr gutes Feedback bekam – so was wie “Sehr gut, genau der Baustein, der mir noch gefehlt hat”, “Viel Fachwissen, gut aufbereitet, abwechslungsreich gestaltet” – wurden über die Zeit verteilt weitere Terminangebote gemacht und auch in Anspruch genommen. Unerfahrene Führungsnachwuchskräfte nahmen ebenso teil wie “alte Hasen” und lernten mehr über Anzeigenformulierung, Unterlagen-Check, Interviewführung und -bewertung sowie Feedback.
Teilnehmer meldeten zurück, sich nun sicherer und kompetenter zu fühlen, Anzeigen leichter formulieren zu können und in Interviews würden sie nun auch andere Fragen stellen und mit den Antworten mehr anfangen können. Sie merkten aber auch: Der Aufwand für “gutes” Recruiting ist höher als gedacht.
Inzwischen hat der Arbeitgeber den Recruitingprozess nochmals verändert. Marie wird durch weitere Recruiting-Kolleg*innen unterstützt und die Hiring Manager werden wieder mehr von den Recruitern begleitet. Die Schulungen waren aber nicht umsonst. Im Gegenteil: mit mehr Know-how läuft auch das Zusammenspiel besser und die Erledigung der Aufgaben entlang des Recruiting-Prozesses greift mehr ineinander.
Zwei Lösungen für ein Learning
Wenn Hiring Manager darin unterstützt werden, ihre Recruiting-Aufgaben besser zu machen, hat das nicht nur eine positive Außenwirkung. Es beschleunigt auch den Recruitingprozess, verbessert die Entscheidungsfindung und das interne Zusammenspiel. Und das alles spart wiederum Ressourcen. Damit dies gelingt, sind Angebote für Hiring Manager zum Aufbau von Recruiting Know-how ein wichtiger Baustein.
Die Ausgestaltung kann sehr unterschiedlich sein, wie die beiden Beispiele zeigen1. Wichtig ist aber, dass sie angenommen werden können. Das gelingt umso besser, wenn sie
- zielgerichtet auf die Aufgaben der Hiring Manager im Recruiting-Prozess zugeschnitten sind,
- unkompliziert in kleinen, zeitlich machbaren “Dosen” und interaktiv vermittelt werden und
- die Hiring Manager direkt ein-/umsetzbares Handwerkszeug für ihren nächsten Stellenbesetzungsprozess mitnehmen.
Und wenn ihr Gegenüber Erfahrung mitbringt, von der sie bei ihren individuellen Fragen profitieren können.
* Name geändert
1 Ein weiteres, schon etwas zurückliegendes Beispiel von kollegialem Coaching von Führungskräften – mit speziellem Fokus auf Fachfragen in Interviews findest du hier.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.