Fragen & Antworten zu Service Level Agreements (SLA) im Recruiting

Service Level Agreements (SLA) im Recruiting

Für die September-Ausgabe der Fachzeitschrift Personalwirtschaft (PW+)* hatte ich das Vergnügen mit einigen Informationen und Statements zu einem Fachartikel über Service Level Agreements (SLA) beizutragen. Und siehe da, ein paar aufmerksame Leser sprachen mich zu weiteren Informationen an. Ihre Fragen greife ich gerne in diesem Beitrag für euch alle auf, die ebenfalls daran interessiert sind, SLA in ihrem Recruiting Framework zu integrieren.

Wann sollte man über Service Level Agreements nachdenken?

Eigentlich von Anfang an. Aber bei den meisten Arbeitgebern läuft Recruiting im Zusammenspiel aller Beteiligten erst einmal mehr nach dem Motto: Ist doch klar, was man gegenseitig voneinander erwartet und alle sind ja daran interessiert, die offenen Stellen zügig zu besetzen. In der Realität sieht das Zusammenspiel meist anders aus:

  • Hiring Manager reagieren nicht auf Bewerbungsvorschläge, die sie von den Recruitern erhalten. Es folgt oft Nachfassen und Bitten, bis endlich eine Reaktion kommt. Recruiter, die zuvor gutgläubig Bewerbenden eine zügige Rückmeldung in Aussicht gestellt haben, geraten in Erklärungsnot. Und wenn sie häufiger die Erfahrung machen, geben sie Bewerbenden erst gar keine Info mehr zur voraussichtlichen Rückmeldung – was diese alles andere als transparent und bewerberorientiert empfinden.
  • Bewerberabsagen/-feedbacks müssten eigentlich erfolgen, aber da ist so viel neuer Bewerbungseingang oder neue Stellen, das kann noch etwas warten. Insbesondere persönliche Feedbacks werden dann gerne geschoben, denn diese sind vielen Recruiting-Beteiligten eher unangenehm.
  • Bewerbende sollten eigentlich einen Arbeitsvertrag erhalten und der HR Business Partner sich um Vertragsverhandlung und -erstellung kümmern. Das ist jetzt schon einige Zeit her, aber wie ist da wohl der Stand? Also lieber mal nachfragen und ggf. die Sache dringlich machen. Denn Vertragsangebot heißt noch lange nicht Vertragsunterschrift. Und schließlich sind da ja noch ein paar Bewerbende in der Pipeline, für die entschieden werden muss: Absage wegen besetzter Stelle oder doch noch “warmhalten”, was aber erneuten Zeitaufwand bedeutet.

Diese Liste könnte man weiter fortsetzen. Wenn du im operativen Recruiting arbeitest, hast du sicher weitere Beispiele, die zeigen: Es ist bei weitem nicht so, dass alle Recruiting-Beteiligten den Fokus auf eine zügige Stellenbesetzung und hohe Bewerberorientierung legen. Und leider ist es auch so, dass man sich oft auch über die jeweils andere Partei im Recruiting-Team deshalb ärgert, aber trotzdem die gegenseitigen Erwartungen nicht klar auf den Punkt bringt. Und spätestens dann wird es Zeit für SLA!

Was sind SLA?

SLA sind Leitplanken/ Selbstverpflichtungen, die Aktivitäten im Recruitingprozess verbindlicher regeln und dafür Sorge tragen, dass er “im Takt bleibt”. Sie sind das Ergebnis von Übereinkünften der am Recruiting-Prozess Beteiligten – i.d.R. Recruiter, Hiring Manager und HR Business Partner, ggf. noch externe Dienstleister oder auch Personalentwickler. Die Übereinkünfte betreffen die gegenseitigen Erwartungen in den verschiedenen Steps des Recruiting-Prozesses ebenso wie die Erwartungen von Bewerbenden.

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Was sind Beispiele?

SLA können sich auf Bearbeitungs- und Reaktionszeiten, damit verbundene Termintreue, aber auch z.B. auf Erreichbarkeiten oder qualitative Aspekte wie Kommentierung oder Dokumentation beziehen.

Wir unterscheiden grundsätzlich zeitbezogene und organisatorische SLA im operativen Recruiting und zusätzlich projektbezogene SLA bei konzeptionellen Recruiting-Themen, die hier aber nicht im Fokus stehen. Hier ein paar Beispiele zur besseren Vorstellung für die operativen SLA:

Zeitbezogene SLA

  • Die Sichtung und Bewertung neu eingegangener Bewerbungen erfolgt binnen X Tagen.
  • Feedbacks von Hiring Managern zu weitergeleiteten Bewerbungen werden spätestens nach Y Tagen gegeben.

Organisatorische SLA

  • Es werden nur A-Kandidaten an Hiring Manager weitergeleitet.
  • Bewertungen oder Absagewünsche werden immer kommentiert/begründet.

Wie definiert man Werte insbesondere für zeitbezogene SLA?

Bei der Festlegung von Zeitfenstern, in denen in den verschiedenen Steps im Recruiting-Prozess etwas passieren soll, haben sich neben den persönlichen Erwartungen der jeweiligen Recruiting-Beteiligten insbesondere folgende zwei Quellen als hilfreich erwiesen:

  • Studien zu Bewerbererwartungen und Recruiting-Prozessen in anderen Unternehmen: Sie geben Hinweise darauf, welche Erfahrungen und Erwartungen der Bewerberzielgruppe einbezogen werden sollten und wie Wettbewerber am Arbeitsmarkt handeln, von denen man sich im Idealfall abheben möchte.
  • Eigene KPIs, die man zum Recruiting-Prozess erhebt. Interessant sind dabei alle Time-To- … Kennzahlen. Neben der Gesamtdauer (Time-to-Hire) werden oft auch für unterschiedliche Phasen des Recruiting-Prozesses prozessschrittbezogene Kennzahlen erhoben.

Wie kann man Service Level Agreements einführen?

Grundsätzlich sind auch hier zwei Wege möglich, wovon aber nur einer wirklich zu empfehlen ist. Von einer Setzung durch Recruiting ist dringend abzuraten. Deutlich mehr Commitment bringt hingegen die Mitnahme aller Beteiligten im Recruiting-Prozess, z.B. durch einen internen Workshop.

Ausgehend vom Status quo und den Bewerbererwartungen geht es dann darum, sich auf SLA in den verschiedenen Recruiting-Schritten zu verständigen und diese schriftlich zwecks mehr Verbindlichkeit zu fixieren. Die schriftliche Fixierung ist auch deshalb wichtig, um neuen Hiring Managern, Recruitern und HR Business Partnern gleich bei der Einarbeitung den internen Standard nahezubringen.

In der Umsetzung ist es hilfreich, wenn die SLA digital unterstützt werden. Man kann sie z.B. ins Bewerbermanagement-System (sofern vorhanden) integrieren. Ein Beispiel sind automatisierte Reminder zum Ablauf der X vereinbarten Tage zum Feedback durch den Hiring Manager.

Nach einiger Zeit sollte ein Review erfolgen, um zu schauen, ob die SLA größtenteils eingehalten werden. Wenn nicht ist ggf. eine neue Abstimmung und Korrektur der SLA notwendig.

Was können SLA im operativen Recruiting bewirken?

  • SLA helfen Recruiting-Prozesse zu beschleunigen und Bewerbererwartungen nach zügiger Rückmeldung leichter gerecht zu werden.
  • Sie verbessern das Hand-in-Hand-Zusammenspiel intern wie zu ggf. eingebundenen Dienstleistern, weil sie für eine höhere Verbindlichkeit in den Steps sorgen, für die die jeweilige Person verantwortlich ist.
  • Sie unterstützen eine verlässlichere Kommunikation hin zu Bewerbenden, die Wert auf Transparenz und Klarheit legen.

Durch mehr Verbindlichkeit, Transparenz und Tempo können letztendlich mehr Bewerbende angezogen und im Prozess gehalten werden. Denn sie erleben einen Recruiting-Prozess, der sich deutlich positiv von sonst oft erlebten Standardprozessen abhebt. Stellenbesetzungen werden zielorientierter angegangen und können zügiger passend vorgenommen werden. Damit wird genau das erreicht, was alle Beteiligten ja eigentlich wollen.

Auf den Punkt gebracht – SLA sind ein Baustein für ein starkes Recruiting

Erfolgreiches Recruiting ist Teamwork aller Recruiting-Beteiligten. Implizite Erwartungen und Unzufriedenheiten mit den jeweils anderen Beteiligten bringen das Recruiting nicht weiter. Wohl aber SLA.

Sie sind Teil eines erfolgs- und bewerberorientierten Recruiting-Frameworks und sorgen intern für mehr Effizienz und bessere Zusammenarbeit und extern für eine deutlich positivere Candidate Experience. Und bringen letztendlich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Arbeitgebern, die Schema-F machen und kein solches Commitment vorweisen und leben.

* Winfried Gertz, Verbindlichkeit schaffen, Personalwirtschaft 9/2023 S. 50-52

* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.