Fast die Hälfte der Beschäftigten ist wechselwillig – vor allem Frauen

Hohe Wechselwilligkeit

Der deutsche Arbeitsmarkt kommt durch die Corona-Pandemie in Bewegung: 48 Prozent der Beschäftigten haben Interesse an einem Arbeitgeberwechsel – so viele wie noch nie seit Beginn der Erhebung der EY-Jobstudie im Jahr 2015. Zwar schauen nur drei Prozent aktiv nach einem neuen Job und 14 Prozent gelegentlich. 31 Prozent wären aber nicht abgeneigt, sollte sich eine Gelegenheit ergeben.

Die Hauptmotivation für einen Arbeitgeberwechsel wäre für einen Großteil der Befragten eine bessere Bezahlung: 58 Prozent würden sich am ehesten durch mehr Geld motivieren lassen, in ein anderes Unternehmen zu wechseln. Gut ein Drittel (34 Prozent) kann sich bei interessanteren Arbeitsinhalten einen Wechsel vorstellen. Bessere Möglichkeiten zur Weiterentwicklung könnten 27 Prozent zum Jobwechsel bewegen. 

Hier ergeben sich auch kaum Unterschiede bei Männern und Frauen. Größere Unterschiede ergeben sich bei der Frage nach besseren Karrierechancen, auf die 27 Prozent der Männer Wert legen aber nur 21 Prozent der Frauen. Dafür ist Frauen (25 Prozent) eine bessere Unternehmenskultur deutlich wichtiger als Männern (18 Prozent)

Relativ viele ArbeitnehmerInnen haben offenbar mit der eigenen Firma mehr oder weniger abgeschlossen: 15 Prozent der Befragten sehen sich in fünf Jahren in einem anderen Unternehmen. Mit der gleichen Position im selben Unternehmen wollen sich nur noch 38 Prozent der Beschäftigten abfinden – der niedrigste Wert seit Beginn der Studienerhebung.

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Zwar ist die Wechselbereitschaft sehr hoch. Doch trotz Corona und vorübergehender Kurzarbeit oder Betriebsschließungen schätzen insgesamt so viele ihren Arbeitsplatz als sicher ein wie noch nie seit Studienbeginn. 89 Prozent halten ihre Stelle für „sehr sicher“ oder „ziemlich sicher“.

Das sind Ergebnisse der alle zwei Jahre durchgeführten EY-Jobstudie, für die mehr als 1.550 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland repräsentativ befragt wurden.

„Wir beobachten, dass sich Beschäftigte immer stärker individuell entfalten wollen. Gerade jüngere Berufstätige probieren sich heute häufiger aus. Unternehmen sollten ihnen die Möglichkeiten dafür geben. Dafür ist es wichtig, eine offene Unternehmenskultur zu pflegen, in der auf die individuelle Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingegangen werden kann – sei es, weil sie sich mehr Entwicklungsmöglichkeiten oder Fortbildungen wünschen oder mehr Zeit und örtliche Flexibilität brauchen, um sich um die Familie zu kümmern.“
Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsführung, Personalleiter und Arbeitsdirektor von EY in Deutschland
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„Der deutsche Arbeitsmarkt ist in Bewegung. Ein ganzes Berufsleben in nur einem Unternehmen zu verbringen, ist heute eher eine Seltenheit.“ Laut Studie fühlen sich nur noch 22 Prozent der Beschäftigten „sehr eng“ mit ihrem Arbeitgeber verbunden – das ist der geringste Wert seit Erhebung der Studie. „Die Firmen müssen ihr Recruiting an diese Realität anpassen“, rät Heinen. „Über soziale aber auch physische Netzwerke können sie mit Fach- und Nachwuchskräften in Kontakt bleiben und ihre Prozesse so schlank und flexibel halten, dass sie innerhalb kurzer Zeit Stellen wieder neu besetzen können.“ 
Markus Heinen, Leiter des Geschäftsfeldes Personalberatungsdienstleistungen bei EY in Deutschland
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Vor allem Frauen suchen nach neuem Arbeitgeber

Tendenziell sind gerade Frauen eher zu einem Wechsel bereit: 18 Prozent sehen sich in fünf Jahren in einer anderen Firma, bei den Männern sind es nur zwölf Prozent. Ebenfalls 18 Prozent der weiblichen Beschäftigten suchen aktuell nach einem neuen Arbeitgeber, von den Männern geben dies 16 Prozent an. Gleichzeitig ist die Verbundenheit mit dem eigenen Arbeitgeber unter Frauen etwas weniger ausgeprägt: Während 20 Prozent von ihnen sich sehr eng mit dem Arbeitgeber verbunden fühlen, sind es bei den Männern 24 Prozent.

Die Gründe für die größere Wechselbereitschaft von Frauen sind nach Ansicht von Jan-Rainer Hinz vielfältig: „Patriarchalische Verhältnisse in so manchem Unternehmen, die berüchtigte gläserne Decke, schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Frauen stoßen oft auf ganz andere Hindernisse in Betrieben als Männer. Unternehmen müssen Diversität ernst nehmen und durch das Management vorleben – sonst brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn weibliche Fachkräfte lieber weiterziehen.“ Erschwerend hinzu komme der sogenannte Gender Pay Gap. So nehmen 38 Prozent der Frauen das Gehaltsgefüge innerhalb ihres Unternehmens als ungerecht wahr – nur 30 Prozent der Männer sehen das ebenso.

Hohe Wechselbereitschaft bei Dienstleistern – sehr hohe Verbundenheit in der Automobilindustrie

Insbesondere Beschäftigte in der Dienstleistungsbranche sind wechselwillig: 22 Prozent suchen nach einem neuen Arbeitgeber. Auch in der Handels- und Konsumgüterbranche sowie im Maschinen- und Anlagenbau ist die Wechselbereitschaft mit 21 bzw. 20 Prozent überdurchschnittlich hoch. Ausschlaggebend dafür dürfte die Angst vor einem Jobverlust sein – denn in diesen drei Branchen ist auch die gefühlte Arbeitsplatzsicherheit am geringsten.

In der IT-Branche suchen dagegen nur zehn Prozent nach einem neuen Arbeitgeber und auch in der Automobilindustrie sind nur 13 Prozent auf der Suche. In keiner anderen Branche fühlen sich die ArbeitnehmerInnen gleichzeitig so stark mit ihrem Arbeitgeber verbunden wie in der Automobilindustrie: Ein Drittel (32 Prozent) verspürt eine sehr enge Verbundenheit.

„Die zunehmende Digitalisierung und Konvergenz ganzer Branchen hat schon in den vergangenen Jahren zu Sorgen unter den Beschäftigten um ihren Arbeitsplatz geführt“, sagt Markus Heinen. „Nun kommt auch noch ein Corona-Effekt hinzu, der sich insbesondere bei Dienstleistungen und im Handel bemerkbar macht. Beide Branchen sind auf den Kontakt zum Kunden und einen ungestörten Waren- und Reiseverkehr angewiesen – das alles war in den vergangenen Monaten nur eingeschränkt gegeben. Die starke Verbundenheit der Beschäftigten in der Automobilindustrie ist auch historisch gewachsen – die Werke der Hersteller bestimmen die Wirtschaftsstruktur ganzer Regionen. Die Rekordgewinne aus dem ersten Halbjahr könnten aber auch über viele Probleme hinweggetröstet haben. Der Umbruch zur Elektromobilität und der Halbleitermangel werden die Branche noch vor erhebliche Herausforderungen stellen.“

Pressemitteilung