Immer mehr Beschäftigte fühlen sich emotional von ihren Unternehmen entfernt. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der Arbeitsmarkt-Studie „Techumanity 24“, die das Trendence Institut in Zusammenarbeit mit EMBRACE anlässlich des EMBRACE Festivals in Berlin vorstellte. Für die repräsentative Studie befragte Trendence im EMBRACE-Auftrag 15.657 Arbeitnehmer*innen und Absolvent*innen bundesweit. Was genau steckt hinter dieser Entfremdung und was bedeutet das für Unternehmen und den Arbeitsmarkt?
Zufriedenheit vs. Wechselbereitschaft
Die Ergebnisse der Studie scheinen auf den ersten Blick widersprüchlich: 86,0% der Beschäftigten in Deutschland sind mit ihrem Arbeitgeber zufrieden, aber fast genauso viele (84,1%) sind offen für einen Wechsel. Dabei sind zwar „nur“ 14,0% aktiv auf Jobsuche, aber 70,1% geben an, passiv ansprechbar oder zumindest hin und wieder auf Jobsuche zu sein.
Was steckt hinter dieser Diskrepanz?
Ein Grund für diese Wechselbereitschaft: Viele Beschäftigte sehen keinen Sinn in ihrer aktuellen Tätigkeit. Über ein Drittel (35,0%) der Befragten geben an, dass die Sinnperspektive ihres Arbeitgebers nicht auf ihre Tätigkeit übertragen wird. Weitere 30,0% finden die Verbindung zwischen ihrem Job und dem Unternehmenszweck schwierig und unklar. Insgesamt ist ein sinnstiftender Unternehmenszweck für nur 10,1% der Befragten ein wichtiges Kriterium bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers.
Austauschbare Sinnperspektiven verschärfen emotionale Distanz
Die Studie zeigt auch, dass viele Unternehmen mit generischen und austauschbaren Purpose-Statements agieren. So geben 25,2% der Befragten an, dass ihr Unternehmen ganz allgemein Menschen helfen will. 16,6% sehen den Purpose ihres Arbeitgebers in Nachhaltigkeits- und Klimathemen, 15,1% in Innovation und Forschung, und 9,1% in einer besseren Zukunft. Obwohl sich 86,2% der Mitarbeitenden mit diesen Sinnperspektiven identifizieren können, führt dies nicht zu einer emotionalen Bindung zum Unternehmen.
Stimmen zur Studie
„Wir erkennen anhand unserer Daten, dass sich Beschäftigte immer mehr von ihrem Unternehmen und dessen mühsam entwickelten, aber oft zu generischen Purpose entfernen.“, erklärt Gero Hesse, CEO von EMBRACE. „Eine Folge davon ist die ausgeprägte und für Arbeitgeber besorgniserregende Wechselstimmung auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Diese bedingt, dass sich Arbeitgeber deutlich mehr als bislang auf die individuellen Bedürfnisse von Bewerber*innen und Mitarbeitenden einstellen müssen.“
Prof. Dr. Anja Lüthy, Gründerin des Frauennetzwerkes #FemaleHRexcellence und wissenschaftliche Begleiterin der Studie, ergänzt: „Betrachten wir Purpose, geht es um die Lebensphase und individuelle Situation. Benefits und Incentives sollten a la carte angeboten werden, es geht um individuelle Fürsorge. Um hier als Unternehmen die passenden Kandidat*innen zu finden, sind Purpose Matching Tests notwendig. Erwartungshaltungen können standardisiert abgefragt werden. Hier muss geklärt werden, bis zu welchen Detailgrad das ein Unternehmen leisten kann, und genau hier kommt KI wieder ins Spiel.“
Künstliche Intelligenz im Bewerbungsprozess
Parallel zur emotionalen Entkoppelung vieler Beschäftigter steigt die Nutzung von KI-Tools im Bewerbungsprozess. Diese Technologien werden als Partner im Bewerbungsprozess verstanden, um das Zusammenfinden von Arbeitgeber und Kandidat*in zu beschleunigen. Laut Studie sehen fast die Hälfte der Befragten die Suche nach passenden Stellenanzeigen als Aufgabe von KI-Technologie. Zudem gehen viele davon aus, dass ein Großteil der schriftlichen Bewerbungskorrespondenz von KI erstellt wird.
„KI-Tools stärken die Bewerbenden. Diese werden als so etwas wie ein verlässlicher Gefährte im Bewerbungsprozess verstanden. Wer sich als Arbeitgeber nicht mit den neuen Technologien auseinandersetzt und diese für Recruiting einsetzt, wird es zunehmend schwer bei der Mitarbeitenden-Gewinnung haben“, so Robindro Ullah, Geschäftsführer von Trendence.
Individuelle Bedürfnisse und Technologien im Fokus
Die Studie „Techumanity 24“ zeigt deutlich, dass Unternehmen mehr tun müssen, um die emotionale Bindung ihrer Mitarbeitenden zu stärken und ihre Wechselbereitschaft zu senken. Ein generischer Purpose reicht nicht aus, um eine starke Bindung zu schaffen. Stattdessen sollten Unternehmen individuelle Bedürfnisse und Lebensphasen ihrer Mitarbeitenden stärker berücksichtigen und dabei auch moderne Technologien wie KI im Bewerbungsprozess nutzen.
Nur so können sie in einem zunehmend kompetitiven Arbeitsmarkt erfolgreich bleiben und ihre besten Talente halten.