Die Frage, wie Jobsuchende in Stelleninseraten angesprochen werden sollten – mit „Sie“ oder „Du“ – scheint auf den ersten Blick trivial, ist aber tatsächlich ein entscheidender Faktor für die Wahrnehmung eines Arbeitgebers. Eine aktuelle Analyse von Stelleninseraten auf der Online-Jobplattform karriere.at bringt spannende Erkenntnisse zu diesem Thema ans Licht und zeigt, dass es dabei mehr zu bedenken gibt, als es zunächst scheint.
Der Status Quo: Mehrheitlich „Sie“ in Stelleninseraten
Die Analyse zeigt deutlich: In den meisten Stelleninseraten auf karriere.at wird das „Sie“ verwendet. Konkret werden Jobsuchende in 63 Prozent der Inserate gesiezt, während sie in 37 Prozent mit „Du“ angesprochen werden. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das „Sie“ im Bewerbungsprozess immer noch den Ton angibt – und das trifft in vielen Fällen auch zu. Doch ein Blick auf die Präferenzen der Bewerbenden verrät, dass die Realität komplexer ist.
Jobsuchende finden das „Du“ o.k.
Eine Umfrage unter den User*innen von karriere.at mit 1.000 Teilnehmenden zeigt, dass die Mehrheit der Jobsuchenden (80 Prozent) es vollkommen in Ordnung findet, im Stelleninserat geduzt zu werden. Lediglich 12 Prozent bevorzugen das „Sie“, während 8 Prozent der Befragten keine spezielle Präferenz haben. Diese Diskrepanz zwischen den Vorlieben der Bewerbenden und der tatsächlichen Ansprache in den Inseraten könnte darauf hinweisen, dass viele Unternehmen ihre Zielgruppe nicht optimal erreichen.
Ansprache variiert je nach Position und Branche
Obwohl die allgemeine Tendenz zum „Sie“ besteht, unterscheidet sich die Ansprache in den Stelleninseraten stark nach Positionsebene und Berufsfeld. Bei Berufseinsteiger*innen dominiert das „Du“: In 70 Prozent der Inserate für diese Zielgruppe wird geduzt. Doch je mehr Berufserfahrung gefordert ist, desto förmlicher wird die Ansprache. Nur 33 Prozent der Inserate für erfahrene Fachkräfte und 32 Prozent der Stellen für Projekt- und Bereichsleitungen nutzen das „Du“. In der Unternehmensführung wird fast ausschließlich das „Sie“ verwendet.
Auch nach Branchen gibt es erhebliche Unterschiede. In der Pharma- und Gesundheitsbranche wird fast ausschließlich gesiezt – in 85 Prozent der Fälle. Im Gegensatz dazu wird im kreativen Bereich, speziell im Grafik- und Designsektor, mehrheitlich geduzt (61 Prozent der Inserate). Das zeigt: Die Ansprache hängt stark von der jeweiligen Branche und Position ab.
Uneinheitliche Ansprache in 14 Prozent der Stelleninserate
Interessant ist auch die Tatsache, dass in 14 Prozent der Inserate keine einheitliche Ansprache verwendet wird. Das bedeutet, dass sowohl „Sie“ als auch „Du“ im selben Inserat vorkommen. Dies könnte für Bewerbende verwirrend wirken, besonders wenn keine klare Linie erkennbar ist, welche Form der Kommunikation im Unternehmen tatsächlich praktiziert wird.
Das „Du“ im Arbeitsalltag – Eine Frage der Unternehmenskultur
Was das Arbeitsleben betrifft, zeigt die Umfrage von karriere.at, dass das „Du“ in den meisten Unternehmen längst zum Standard geworden ist. Nur sechs Prozent der Befragten bevorzugen es, im Kollegenkreis das „Sie“ zu nutzen. Auch im Umgang mit Führungskräften wünschen sich nur 17 Prozent das förmliche „Sie“. Die Mehrheit ist also auch im Arbeitsalltag deutlich informeller unterwegs.
Georg Konjovic, CEO bei karriere.at, betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig Authentizität für Unternehmen ist: „Ob Jobsuchende im Stelleninserat mit ‚Du‘ angesprochen werden, hängt einerseits von den Gepflogenheiten der Branche, aber auch von der jeweiligen Unternehmenskultur ab. Damit ein Arbeitgeber authentisch ist, muss das Bild aus Sicht der Bewerbenden stimmig sein. Wenn im Stelleninserat geduzt wird, es aber im Unternehmen üblich ist, sich zu siezen, dann wirkt ein Arbeitgeber schnell unglaubwürdig.“
Warum die Ansprache in Stelleninseraten so wichtig ist
Die Anspracheform im Stelleninserat mag auf den ersten Blick nebensächlich erscheinen, ist aber ein wichtiger Bestandteil der Arbeitgebermarke. Sie gibt nicht nur einen ersten Hinweis auf die Unternehmenskultur, sondern entscheidet auch darüber, wie sich potenzielle Bewerbende angesprochen und wertgeschätzt fühlen. Vor allem in einem wettbewerbsintensiven Markt, in dem Unternehmen um die besten Talente kämpfen, ist eine zielgruppengerechte Ansprache essenziell.
Wenn ein Unternehmen junge, kreative Talente sucht, ist das „Du“ oft die bessere Wahl, um die gewünschte Zielgruppe anzusprechen. Wird jedoch eine erfahrene Führungskraft gesucht, könnte das „Du“ schnell als zu vertraulich oder gar respektlos empfunden werden. Die Ansprache sollte also stets im Einklang mit der gewünschten Zielgruppe und der Unternehmenskultur stehen.
Wie Unternehmen die richtige Ansprache finden
Unternehmen sollten sich bei der Wahl der Ansprache in Stelleninseraten gut überlegen, welche Botschaft sie damit senden möchten. Einige Fragen, die dabei helfen können:
- Welche Zielgruppe möchte ich ansprechen? Berufseinsteiger*innen reagieren oft positiv auf das „Du“, während Fachkräfte mit langjähriger Erfahrung möglicherweise das „Sie“ bevorzugen.
- Wie ist die Unternehmenskultur? Wenn das „Du“ intern im Unternehmen üblich ist, sollte dies auch im Stelleninserat zum Ausdruck kommen. Ist jedoch ein eher förmlicher Umgangston die Norm, könnte das „Sie“ authentischer wirken.
- Welche Branche betrifft es? In kreativen Berufen wie Design oder Marketing ist das „Du“ oft die Norm, während in traditionelleren Bereichen wie der Pharma- oder Gesundheitsbranche das „Sie“ dominiert.
Empfehlung: Authentizität ist der Schlüssel
Ob „Du“ oder „Sie“ – es gibt keine allgemein gültige Antwort auf diese Frage. Entscheidend ist, dass die Anspracheform in den Stelleninseraten zur Unternehmenskultur und der angesprochenen Zielgruppe passt. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass die Art der Ansprache einen ersten Eindruck bei Bewerbenden hinterlässt und im besten Fall schon ein Gefühl dafür vermittelt, wie die Kommunikation im Arbeitsalltag ablaufen könnte.
Letztlich gilt: Authentizität siegt. Nur wenn die Ansprache im Inserat auch zur gelebten Unternehmenskultur passt, können Unternehmen glaubwürdig und attraktiv für Jobsuchende sein.