Drei Gründe für Bewerbungslethargie statt Kündigungswelle nicht nur im Sommer 2022, 2023 …

Bewerbungslethargie

Oft fragen uns einstellende Führungskräfte, HR’ler und Recruiter, wo denn die vermeintlich hohe Wechselbereitschaft ist, von der laut Umfragen immer wieder die Rede ist. Wo ist sie die Great bzw. Silent Resignation und Kündigungswelle, von der man bei der Besetzung offener Stellen profitieren könnte? Irgendwie ist davon nicht so viel spürbar. Jetzt im Sommer noch viel weniger als sonst. Vielmehr scheint eher eine Bewerbungslethargie auf Bewerberseite vorhanden zu sein; viele beobachten auch, dass selbst dann, wenn Bewerbende an den Markt gehen, sie dann doch zu guter Letzt einen Rückzieher machen und an alter Stelle bleiben. Und das bei Stellen, die in vergangenen Jahren unter sonst gleichen Bedingungen deutlich mehr Interesse, Bewerbungen und Einstellungen generiert haben.

Statt Kündigungswelle Bewerbungslethargie

Die einen sehen darin den nun nahezu flächendeckenden Fachkräftemangel, der sich in den nächsten Jahren nur noch verschärfen wird. Das Mittel der Wahl ist für sie die Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Die anderen pochen auf Verbesserung von gesetzlichen oder tariflichen Rahmenbedingungen – doch auch in Branchen und Bereichen mit attraktiven Rahmenbedingungen bestehen die Probleme. Und wieder anderen sehen es als Indiz für nicht vorhandenes oder schlechtes Active Sourcing und unprofessionelles Employer Branding. Und versuchen dies als gutes Argument für den Verkauf von entsprechenden Kampagnen oder Schulungen zu nutzen.

Gründe für die Zurückhaltung

Eine repräsentative Umfrage von karriere.at zeigt, dass für jeden zweiten Arbeitnehmer die Entscheidung zum Jobwechsel die schwierigste berufliche Entscheidung ist – noch vor der Forderung einer Gehaltserhöhung.

Geht man mit (potenziellen) Bewerbenden über ihre aktuelle Bewerbungsmotivation und tatsächliche Wechselbereitschaft ins Gespräch, nennen sie vor allem drei Gründe für ihre aktuelle Zurückhaltung:

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  1. Viele sind einfach grundlegend müde von den Pandemie-Jahren und laufenden Krisen. Die Sehnsucht nach Stabilität und Bewahren ist groß; die Lust auf tatsächliche Veränderung gering – selbst bei abnehmender Jobzufriedenheit.
  2. Nach Wegfall der Corona-Beschränkungen möchte man nun (gerade im Sommer) das Leben genießen, nachholen, was man an Feiern, Urlaub, Kontakten verpasst hat. In diese Zeit des gewünschten Unbeschwertseins und etwas Treibenlassens passen weder Bewerbungen noch der damit verbundene Bewerbungs- und Vorstellungsstress hinein.
  3. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und inflationsbedingter Mehrausgaben und Risiken, Rezessions-Szenarien und internationalen Krisen ist das Risiko eines Stellenwechsels für viele einfach zu hoch. Gerade, wer Familie oder Eigentum hat, geht da lieber auf Nummer sicher. Egal wie unzufrieden man mit dem aktuellen Job womöglich ist: dieser Job ist für die meisten erst einmal sicher, das Einkommen kalkulierbar. Bei einem Arbeitgeberwechsel hat man nicht nur eine Probezeit als Unsicherheitsfaktor; auch bei möglichen betriebsbedingten Kündigungen zieht man als Person mit geringer Betriebszugehörigkeit den Kürzeren.  

Arbeitgeber – im Kopf umparken

Was also als Arbeitgeber tun? Die Stellen wollen und sollen ja besetzt werden. Und wer weiß, wie lange wir noch im Krisenmodus sind. Aussitzen wird also nicht funktionieren.

Dort sein, wo die gesuchten Kandidaten sich gerade jetzt gerne aufhalten

Wenn Stellenanzeigen in den Sommermonaten noch weniger Response haben und auf Direkt-Ansprachen auch weniger reagiert wird, dann kann es womöglich helfen, da mit seinem Jobangebot hinzugehen, wo sich Beschäftigte jetzt im Sommer (in ihrer Freizeit) bewegen. Womöglich gehen sie nicht aktiv auf die Suche, aber

  • vielleicht klickt doch der eine oder die andere mal vom Liegestuhl am Strand oder auf dem Balkon neugierig auf einen Job-Ad oder einen entsprechenden Post in Social Media oder in Google. Denn hier scrollt man durch, recherchiert, tauscht sich aus, informiert sich über Aktivitäten, Veranstaltungen etc., lädt Fotos hoch und schaut, was andere so treiben.
  • womöglich sind sogar Old-school Wege wie Radio-, Plakat- oder Verkehrsmittelwerbung jetzt gar nicht mal so verkehrt, um bei der Fahrt von A nach B auf Jobangebote aufmerksam gemacht zu werden.
  • Oder vielleicht ist man für ungewöhnliche Methoden wie Guerilla Recruiting oder Boomerang Recruiting jetzt gerade empfänglich.

Und dann an den Gründen für die Lethargie ansetzen

Das Arbeitsplatz- und Einkommenssicherheit sichtbar adressieren

Wie wäre es z.B. mal mit einem Aussetzen der Probezeit (gerade bei Verträgen mit kurzen Kündigungsfristen), einer Wechselprämie oder einem Inflationsausgleich, Energie- oder Lebensmittelzuschuss. Unser Bäcker um die Ecke versucht es z.B. mit 100 € bei einem Neueinstieg und zusätzlich 45 €-Gutschein für Backwaren monatlich. Laut einer Personalleiterbefragung von Randstad/ ifo-Institut im 2. Quartal 2022 bieten 32% der Unternehmen ihren Mitarbeitenden Tankgutscheine an. 18% zahlen einen zusätzlichen Inflationsausgleich. Hier kann man sich also noch gut von anderen Arbeitgebern unterscheiden.

Gehaltsverbesserungen sind für viele Beschäftigte der Wechselgrund Nr. 1 – das ist das Ergebnis einer weiteren Randstad-Befragung in 2023. Vielleicht setzen Arbeitgeber auch deshalb bei der Nennung ihrer Arbeitgeberleistungen in Stellenanzeigen aktuell insbesondere auch auf monetäre Benefits: laut BAP Job Navigator werden Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Betriebliche Altersversorgung oder auch Investitionen in Weiterbildung hier besonders oft genannt.

Wer als Arbeitgeber finanzielle Pluspunkte zu bieten hat, sollte diese ebenfalls hervorheben, um nicht den Kürzeren zu ziehen. Und am besten noch einen Unterschied damit machen, nicht nur allgemein ein “attraktives Gehalt” oder die genannten Benefits zu listen, sondern konkrete Angaben zu machen. Laut aktueller Umfrage von softgarden werden nämlich Stellenanzeigen mit Gehaltsangaben von 79,6% der Bewerbenden gegenüber Anzeigen ohne solche Angaben bevorzugt.

Und wie könnt ihr das Bewerben stressfrei machen?

Vielleicht doch mal über den eigenen Schatten springen und Bewerben mit dem Social Media Profil ermöglichen oder das Bewerbungsformular auf das Nötigste kürzen? Oder auf weitere Bewerbungsbremsen wie z.B. ein Anschreiben explizit verzichten? Denn laut einer Studie der Königsteiner Gruppe haben 34% der Befragten schon mal auf eine Bewerbung verzichtet, weil ein Anschreiben gefordert war. Oder vielleicht doch einmal einen konkreten Ansprechpartner mit Kontaktdaten in Stellenanzeigen angeben, der für Nachfragen ansprechbar ist? Oder bei einem Vorstellungsgespräch mal mit einem eher lockeren Walk & Talk punkten statt mit dem eher steifen Klassiker im Besprechungsraum?

Überdenken von Zielgruppen und Anforderungen

Wer ist auch unter solchen Rahmenbedingungen wie gerade beschrieben am Arbeitsmarkt? Das sind Absolventen (Ausbildung, Studium), Berufsrückkehrende und Selbständige mit Rückkehrwunsch in eine Angestellten-Tätigkeit, Mitarbeitende aus Branchen, die stark inflations- und energieabhängig sind und ein höheres Risiko eines Arbeitsplatzverlustes haben. Womöglich ist es jetzt besser, ein Traineeprogramm oder ein spezielles Rückkehrer-/Quereinsteiger-Programm anzubieten, als eine Vakanz noch lange Zeit unbesetzt zu halten.

* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.