Das ungenutzte Potenzial auf dem Arbeitsmarkt: die Generation 50+

Xing - Befragung: Bevorzugte Wochenarbeitszeit nach Renteneintritt Ausschnitt Quelle Xing – New Work SE

Der deutsche Arbeitsmarkt steht vor einer großen Herausforderung: Trotz der sinkenden Zahl offener Stellen bleibt der Fachkräftemangel ein drängendes Problem. Besonders der demografische Wandel, der durch den zunehmenden Renteneintritt der Babyboomer-Generation ausgelöst wird, stellt die Wirtschaft vor enorme Schwierigkeiten. In diesem Kontext hat eine aktuelle Umfrage des Jobs-Netzwerks XING unter 1.000 Personen ab 50 Jahren interessante Ergebnisse geliefert: Mehr als die Hälfte der Generation 50+ ist bereit und in der Lage, auch nach dem offiziellen Renteneintrittsalter weiterhin zu arbeiten. Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt und wie können Unternehmen dieses Potenzial nutzen?

Der demografische Wandel: Eine wachsende Herausforderung

Der demografische Wandel ist keine neue Erscheinung, aber seine Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden zunehmend spürbar. Bis 2035 wird der deutsche Arbeitsmarkt um mindestens 1.000 Beschäftigte pro Werktag schrumpfen, da deutlich mehr Menschen in Rente gehen als neue Arbeitskräfte nachrücken. Diese Entwicklung trifft vor allem Branchen hart, die ohnehin schon unter Fachkräftemangel leiden. Um den drohenden Engpässen entgegenzuwirken, wird immer wieder der Ruf nach einem späteren Renteneintritt laut – oder nach der Möglichkeit, auch über das Rentenalter hinaus weiterzuarbeiten.

Generation 50+: Die Bereitschaft zur Arbeit ist da

Laut der Umfrage von XING zeigt sich, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 50 Jahre durchaus bereit sind, auch nach Erreichen des Rentenalters weiterzuarbeiten. 53 Prozent der Befragten gaben an, nach dem offiziellen Renteneintrittsalter noch arbeiten zu können und zu wollen. Darüber hinaus sehen sich 62 Prozent der Befragten theoretisch in der Lage, weiterhin beruflich tätig zu sein.

Diese Bereitschaft zur Weiterarbeit kann eine Chance für Unternehmen sein, die vom Fachkräftemangel betroffen sind. Dr. Julian Stahl, Arbeitsmarktexperte bei XING, betont: „In Zeiten von Fachkräftemangel können wir es uns nicht leisten, dieses Potenzial nicht zu nutzen. Gerade in Engpassbranchen ist die Erfahrung, die ältere Beschäftigte mitbringen, unverzichtbar.“

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Flexible Teilzeitmodelle als Schlüssel zum Erfolg

Ein entscheidender Aspekt, um ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer länger im Beruf zu halten, sind flexible Arbeitszeitmodelle. Die Umfrage ergab, dass 48 Prozent der Beschäftigten planen, zum regulären Renteneintrittsalter von 65 bzw. 67 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Doch diejenigen, die weiterarbeiten wollen, bevorzugen in den meisten Fällen Teilzeitmodelle: 34 Prozent der Befragten würden eine wöchentliche Arbeitszeit von 11 bis 20 Stunden bevorzugen, 25 Prozent würden 6 bis 10 Wochenstunden als optimal ansehen. Nur 12 Prozent können sich vorstellen, weiterhin in Vollzeit zu arbeiten.

Diese Zahlen verdeutlichen, dass flexible Teilzeitmodelle der Schlüssel sein könnten, um erfahrene Fachkräfte auch nach dem Renteneintritt an das Unternehmen zu binden. Unternehmen, die attraktive Teilzeit- und Remote-Work-Optionen anbieten, könnten somit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erlangen.

Die Motivation hinter der Arbeit im Ruhestand

Die Gründe, warum Menschen auch nach dem Renteneintritt weiterarbeiten wollen, sind vielfältig. Während 63 Prozent finanzielle Motive angeben, spielt für 56 Prozent der Wunsch, weiterhin im Kontakt mit Menschen zu bleiben, eine wichtige Rolle. Zudem sehen 42 Prozent der Befragten es als unvorstellbar an, ihre Hände in den Schoß zu legen, und 33 Prozent betrachten die Arbeit nach der Rente als Mittel zur Selbsterfüllung.

Diese Motivationen bieten Unternehmen wertvolle Anknüpfungspunkte, um gezielt auf die Bedürfnisse älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzugehen und ihnen attraktive Angebote zu machen.

Länger arbeiten: Ein Trend, der sich fortsetzt

Die Bereitschaft, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten, ist Teil eines größeren Trends. Laut dem Institut für Wirtschaftsforschung hat der Anteil der Berufstätigen zwischen 60 und 64 Jahren seit 2003 von 17 Prozent auf 55 Prozent im Jahr 2023 zugenommen. Dieser Trend zeigt, dass immer mehr Menschen bereit sind, länger zu arbeiten – und dass dies auch gesellschaftlich immer mehr akzeptiert wird.

„Es liegt nicht nur am Gesetzgeber, flexible Regelungen für den Renteneintritt zu ermöglichen, sondern auch an Unternehmen, älteren Arbeitnehmern die richtigen Angebote zu machen“, betont Dr. Julian Stahl. „Ein frühzeitiger Dialog zur Möglichkeit der Weiterbeschäftigung über das Renteneintrittsalter hinaus und eine Aufklärung über Zuverdienstmöglichkeiten neben der Rente sind entscheidend. Wenn der demografische Wandel erst einmal im vollen Gang ist, kann das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle und Remote Work für Arbeitgeber zu einem wirklichen Wettbewerbsvorteil werden.“

Fazit: Ältere Arbeitnehmer als ungenutztes Potenzial

Die Umfrage von XING zeigt deutlich, dass es unter der Generation 50+ ein großes Potenzial für den Arbeitsmarkt gibt. Unternehmen, die dieses Potenzial erkennen und nutzen, indem sie flexible Arbeitszeitmodelle anbieten und die individuellen Bedürfnisse älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berücksichtigen, können sich entscheidende Vorteile im Wettbewerb um Fachkräfte verschaffen. Gleichzeitig können sie so dazu beitragen, den Fachkräftemangel abzumildern und die deutsche Wirtschaft auf lange Sicht wettbewerbsfähig zu halten.