Das macht die Coronakrise jetzt mit den Gehältern in Deutschland

Die durch das Coronavirus ausgelöste Wirtschaftskrise wird Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer empfindlich in der Vergütung treffen. In einer aktuellen Untersuchung der Personal- und Organisationsberatung Korn Ferry haben zwar erst sieben Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland bereits faktisch Gehaltskürzungen durchgeführt, 14 Prozent überprüfen dies gerade. Diesjährige Gehaltserhöhungen wurden aber schon von mehr als jedem zweiten Unternehmen entweder abgesagt (25 Prozent) oder verschoben (27 Prozent), elf Prozent passen die geplanten Erhöhungen an.

„Eine signifikante Anzahl an Unternehmen hat bereits vergütungspolitische Entscheidungen getroffen“, sagt Helmuth Uder, Managing Director und Vergütungsexperte bei Korn Ferry. „Das deckt sich ungefähr mit den Angaben der Unternehmen dazu, wie sie ihre geschäftliche Entwicklung in diesem Jahr einschätzen.“ Ein Drittel der Unternehmen geht Stand heute davon aus, dass die Coronakrise signifikante bis sehr große negative Auswirkungen auf das eigene Geschäft haben wird. Ein positiver Trend: im März hatten dies noch 45 Prozent so erwartet. Gleichzeitig sagen jedoch 40 Prozent der Unternehmen, dass sie den Einfluss der Krise auf das eigene Geschäft nach wie vor nicht realistisch einschätzen können. Im März hatten dies 34 Prozent so ausgesagt.

Helmuth Uder sagt: „Der Anstieg verblüfft auf den ersten Moment, trägt doch häufig ein Krisenverlauf dazu bei, die Auswirkungen von Tag zu Tag besser einschätzen zu können. In der Coronakrise sehen wir dies nicht. ‚Auf Sicht fahren‘ bedeutet heute nicht mehr, über sechs Monate zu planen – sondern über zwei Wochen. Das verändert organisatorische und prozessuale Möglichkeiten drastisch.“

Im Falle von Gehaltskürzungen muss Management Vorbildfunktion einnehmen

Dort, wo bereits Gehaltskürzungen vorgenommen wurden, ist von dieser Maßnahme vor allem das obere (67 Prozent der befragten Unternehmen) Management betroffen. Das mittlere Management und herausgehobene Experten müssen in 44 Prozent der Unternehmen auf Gehalt verzichten. Bei den niedrigeren Gehaltsklassen sind diese deutlich weniger betroffen (22 Prozent). Das Einfrieren des Gehalts trifft dagegen fast alle Hierarchieebenen in ähnlicher Ausprägung: mindestens 77 Prozent sind betroffen. In 94 Prozent der Fälle betrifft die Maßnahme das mittlere Management.

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„Wer von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlangt, auf Gehalt zu verzichten, sollte als Unternehmensführung mit gutem Beispiel vorangehen“, sagt Helmuth Uder. „Wenn es zu dieser Maßnahme kommt, empfehlen wir zudem gezielt seitens des Managements ein Zeichen zu setzen. Wenn die prozentuale Kürzung im Führungskreis deutlich größer ausfällt als auf der Fachebene, ist die Chance deutlich größer, dass diese Maßnahmen ohne einen nachhaltigen Vertrauens- und Motivationsverlust von einer breiten Mehrheit mitgetragen werden. Auch Konzernvorstände werden sich in den kommenden Monaten noch sehr intensiv mit dieser Fragestellung beschäftigen müssen.“

Boni sinken bei entsprechender Ausgestaltung automatisch

Beim Aussetzen, Verzögern oder der Reduktion von kurzfristig zu gewährenden Boni (Short Termin Incentives) gehen die Unternehmen aktuell noch deutlich behutsamer vor. Neun Prozent haben hier Maßnahmen vollzogen, 16 Prozent überdenken solche Maßnahmen gerade. Helmuth Uder sagt: „Viele Bonus-Systeme beruhen in großen Teilen auf der faktischen Geschäftsentwicklung der Unternehmen. Tritt eine Verschlechterung der geschäftlichen Lage ein, sinkt damit auch automatisch der Bonus. Finanzabteilungen können damit schon heute Szenarien entwickeln, wie groß die Einsparungen je nach spezifischer Prognose der Geschäftsentwicklung sein werden. Es gibt jedoch auch Unternehmen, die individuelle Boni ausschließlich auf Basis von spezifischen individuellen Zielvereinbarungen gewähren und nach Zielerreichung auszahlen. Diese müssen jetzt überlegen, ihr Bonusmodell anzupassen – nicht nur um Kosten zu sparen, sondern um sowohl für Arbeitgeber und Shareholder als auch Arbeitnehmer eine so weit wie möglich gerechte Interessen-Situation herzustellen.“

Langfristige Vergütungsbestandteile könnte Teil von öffentlicher Debatte werden

An den Long Termin Incentives haben sieben Prozent bereits gearbeitet, weitere sieben Prozent prüfen hier ihre Möglichkeiten. Eine geringere Rolle spielen gerade Veränderungen bei einer aktienbasierten Vergütung. „Langfristige Vergütungsbestandteile finden sich vor allem in Aktiengesellschaften“, sagt Helmuth Uder. „Sytembedingt werden Langfrist-Boni üblicherweise nicht an einem einzelnen Jahresergebnis gemessen. Vielmehr werden häufig Drei-Jahres-Zeiträume oder eine mehrjährige Wertentwicklung betrachtet, zumeist in Abhängigkeit von der Entwicklung des Aktienkurses. Auf dieser Basis lässt sich auch bei einem Einbruch in einem spezifischen Jahr – wie jetzt während der Coronakrise – dennoch eine angemessene und faire Vergütung auf Basis bisheriger oder zukünftiger Leistungen sicherstellen.“

Insgesamt ist davon auszugehen, dass Manager-Boni – unabhängig ob kurz- oder langfristig gewährt – in der Krise Teil von öffentlicher Debatte sein werden. „Ein einfaches Festhalten an getroffenen Vereinbarungen wird sich mutmaßlich nicht für jeden möglich sein“, sagt Helmuth Uder. „Aufsichtsräte haben die ‚Angemessenheit in einer besonderen wirtschaftlichen Situation‘ bei der Vorstandsvergütung sicherzustellen. Das kann auch bedeuten, bereits gewährte Vergütungsbestandteile zu widerrufen – im besten Fall einvernehmlich mit dem beziehungsweise den betroffenen Managern. Wichtig ist in der Folge ein neues System zu erarbeiten, das in der zu prognostizierenden Situation wieder Angemessenheit und soziale Verträglichkeit herstellt.

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