Digitalisierung ist nicht alles – Diese 4 Themen sollten Recruiter jetzt unbedingt auch auf dem Schirm haben

Digitalisierung ist nicht alles

Steigende Impfquoten, rückläufige Inzidenzwerte, verbesserte Arbeitsmarktzahlen und optimistischere Wirtschaftsprognosen – die Hoffnung auf “normalere Zeiten” steigt. Sicher nicht mehr genauso wie vorher und sicher auch nicht überall und für jedes Unternehmen. Aber wenn man positiv nach vorne schaut, dann muss man im Recruiting spätestens jetzt den Blick wieder weiten. Und dazu gehört nicht nur, den Recruitingprozess weiter sinnvoll zu digitalisieren. Welche Aspekte man sonst verstärkt auf die Agenda heben sollte, das haben wir hier zusammengestellt.

Employer Branding updaten und refreshen – denn jetzt und künftig sind andere Dinge wichtig als vor der Pandemie

Unsicherheit, Ängste um Gesundheit, finanzielles Auskommen und Zukunft, Fake News und Verschwörungstheorien, Digitalisierung und fehlender persönlicher Face-to-Face Austausch – all das hat in den letzten Monaten unser Leben, Arbeiten und Miteinander geprägt. Und hat einiges auf den Kopf gestellt. Auch der Blick auf Arbeitgeber und was dem einzelnen wichtig in Bezug auf Job und Leben ist.

  • So ist z.B. nicht nur, aber insbesondere auch für Berufseinsteigende das Thema Sicherheit heute deutlich wichtiger als z.B. eine sinnstiftende Tätigkeit. Auch Nachhaltigkeit ist für sie deutlich weniger wichtig (geworden) als allgemein angenommen.
  • Finanzielle Sicherheit hat in Zeiten von Kurzarbeit und Geschäftsschließungen sowie dem Damoklesschwert “Insovlenzrisiko” ebenfalls an Bedeutung gewonnen. Nachrichten über Inflationstendenzen bestärken diese Angst bei sehr vielen Beschäftigten.
  • Die Digitalisierung wird nicht nur vorteilhaft gesehen, sondern ist auch mit Ängsten vor Jobverlust oder Veränderung der eigenen Tätigkeit bis hin zur Überforderung verbunden. Sicher geglaubte Arbeitsplätze oder Karrierewege sind z.T. unsicher geworden, Orientierungslosigkeit mit Blick auf die Zukunft ist nicht selten.
  • Und es wird deutlich: Die so gern bemühte Einteilung der Menschen in “Generationen X, Y, Z usw.” ist weniger relevant als geglaubt. Denn diese Veränderungen, Unsicherheiten und Ängste verbunden mit den Änderungen der Werte und Wünsche unterscheiden sich weniger nach Generationen als vielmehr nach Branchen und Berufsgruppen.
  • Der Wunsch nach Transparenz und Glaubwürdigkeit ist weiter gestiegen. Das Thema Fake News hat viele sensibilisiert gerade im Hinblick auf Social Media. Authentische Kommunikation,  Social Proofs und selbst erlebtes authentisches Verhalten sind im Recruiting die Währung der Zeit.

To-do: Das Employer Branding vieler Unternehmen und auch noch viele Unternehmens­­­vertreter*innen adressieren aber andere Themen, Arbeitgeberleistungen und Werte. Und deshalb muss hier eine Anpassung an die jetzt relevanten Themen Sicherheit, Fürsorge, Teamzusammenhalt, New Work, Diversity … erfolgen, um bei Job-Interessierten punkten zu können.

Recruiting personell stärken – denn die Zahl der Vakanzen und die Bewerbungszahlen werden (weiter) steigen

Personalbedarf

Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und dem IAB-Arbeitsmarktbarometer zeigen einen Positivtrend. Auch andere Arbeitsmarktbeobachtungen belegen das. Nach dem aktuellen Hays Fachkräfte-Index zum 1. Quartal 2021 steigt die Nachfrage nach Fachkräften enorm an. Das gilt angesichts der Lage insbesondere für den Life-Science-Bereich und mit Blick auf den Digitalisierungsboom natürlich für IT-(Sicherheits-) Fachkräfte. Aber auch die Nachfrage nach Fachkräften im Bereich (Online-) Sales & Marketing oder HR ist deutlich gestiegen. Letzteres zeigt auch das Arbeitsmarktbarometer Recruiting , das wir regelmäßig erheben. Verhaltener ist die Entwicklung hingegen bei Finanzfachkräften oder Ingenieur*innen. Branchenmäßig suchen aktuell  insbesondere Unternehmen der Bau- und IT-Branche sowie im Handel neue Mitarbeitende.

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Wechselbereitschaft

Auch auf der Seite der Arbeitnehmenden zeigt sich Optimismus. So gehen laut Randstad Arbeitsbarometer (Q1/21) mehr als die Hälfte der befragten Personen von verbesserten Zukunfts-/ Jobchancen in diesem Jahr aus. Aber aktuell stehen auch noch immer viele Beschäftigte vor einer sehr unsicheren Jobsituation – ob geprägt durch das sich abzeichnende  Ende von Kurzarbeit oder durch befristete Arbeitsverträge. Nach einer repräsentativen Stepstone-Studie möchte derzeit jede*r vierte Beschäftigte den Job wechseln. Gründe sind u.a. die Erkenntnis, dass der eigene Job nicht krisenfest ist oder einem auf einmal sinnlos vorkommt. Auch die Enttäuschung über das Krisenmanagement des aktuellen Arbeitgebers und der Führungskräfte ist ein Wechselmotiv. Oder Beschäftigte stellen fest, dass ihre Qualifikation nicht zukunftsfähig ist, weil ihnen z.B. digitale Fähigkeiten fehlen – für sie wird das Thema Weiterbildung jetzt wichtiger.

Neues Recruiting-Potenzial

Und noch ein Aspekt ist nicht zu ignorieren. Durch die zunehmende Digitalisierung und das Etablieren von Homeoffice in vielen Bereichen ist das Potenzial möglicher Jobinteressierten für einige Unternehmen insbesondere jenseits von Ballungsgebieten deutlich gewachsen. Denn damit lässt sich auch verstärkt überregional rekrutieren, was die Bewerbungszahlen ansteigen lassen dürfte.

To-do: Deshalb ist es jetzt wichtig, frühzeitig das Recruitingteam personell zu verstärken. Eine einfach zu realisierende Option sind Nachwuchskräfte/ Junior Recruiter*innen in befristeten Jobs oder Praktika. Ihnen fehlt es z.T. noch an Wissen im Detail sowie an Praxiserfahrung. Aber da kann man mit etwas zeitlichem Vorlauf Abhilfe schaffen, z.B. durch ein speziell auf diese Zielgruppe fokussiertes Praxistraining gepaart mit einem firmenspezifischen Onboarding. Eine flexible Alternative ist Co-Working mit erfahrenen Recruiting Services-Dienstleistern/ Interims-Recruiter*innen, die man projektweise oder für Besetzungsspitzen engagieren kann.

Hybrides Recruiting professionalisieren – denn People Management wird durch Digitalisierung noch wertvoller

Dass die Digitalisierung auch im Recruiting durch die Pandemie einen nie geahnten Schub erhalten hat, ist hinlänglich bekannt. Auch die Diskussion, wie weit man das noch treiben kann bis hin zur Frage, ob KI nicht der/ die bessere Recruiter*in/ Entscheider*in ist. Mal ganz abgesehen von den Investitionskosten zeigen Studien und Untersuchungen aber immer wieder, dass KI durchaus nicht fehlerfrei ist oder fragwürdige Ergebnisse erzeugt. Aber auch, dass Bewerber*innen wie auch Entscheider*innen die menschliche Ebene weiterhin wünschen. Denn letztlich geht es ja darum, dass das Recruiting der Start einer i.d.R. längeren Zusammenarbeit ist. Und hier treffen Menschen auf Menschen und die müssen zusammenpassen.

Digitale Recruiting-Tools können den Recruitingprozess an vielen Stellen beschleunigen, zeitliche Freiräume schaffen und Hilfestellungen für Entscheidungen sein. Je mehr Steps jedoch digitalisiert werden, umso weniger Möglichkeiten gibt es für das persönliche Kennenlernen. Deshalb wird die Bedeutung des People Managements in den Kennenlernsituationen zunehmen.

To-do: Als Arbeitgeber ist es wichtig, dem Recruitingprozess eine klare Struktur zu geben. Was sind digitale, was personengestützte Schritte. Und dann gilt es die Touchpoints zwischen Recruiter*innen und/ oder Führungskräften mit Bewerber*innen als einen professionell, wertschätzenden und authentisch erlebten persönliche Kontakt zu gestalten. Das bedeutet für viele Unternehmen aber, dass hier deutlich mehr in Augenhöhe, Beziehungspflege, individuelles Eingehen auf Erwartungen und Wünsche und Feedback investiert werden  muss.

Führungskräfte für persönliche Kontaktsituationen auf neuen Kurs bringen und Führungsnachwuchskräfte darin fit machen

Mit mehr als 50 Führungskräften haben wir in den vergangenen zwei Jahren gemeinsam Stellen besetzt. Und dabei auch sehr unterschiedliche Typen kennengelernt. Was aber immer wieder und nicht erst seit gestern auffällt: Jede*r macht das Recruiting so, wie er/ sie es schon immer gemacht hat oder es sich als Nachwuchskraft beim Vorgesetzten abgeguckt hat. In Workshops mit Führungskräften erzeugen wir regelmäßig AHA-Erlebnisse, wenn wir Studienergebnisse zu Erwartungen unterschiedlicher Zielgruppen vorstellen. In Interviews gibt es in den allermeisten Fällen viel Luft nach oben. Das gilt für Redeanteile, Gesprächsstruktur, Fragetechniken, bewerberzentriertes “Verkaufen” des anzubietenden Jobs sowie des Arbeitgebers oder systematisches Beobachten und Bewerten.

Das war schon vor Pandemiezeiten ein Problem. Aber nun in den selteneren persönlichen Kontaktsituationen ist es umso wichtiger, sich auf die veränderten Vorstellungen und Erwartungen einzustellen. Ein “weiter so” wird nicht von Rekrutierungserfolg gekrönt sein.

To-do: Dafür sind regelmäßige Schulungen und Coachings von Führungskräften und insbesondere Führungsnachwuchskräften in Sachen Recruiting und Interviewführung wichtig. In jedem Führungs(nachwuchs)kräfte-Programm gibt es Angebote für Mitarbeitergespräche, Verhandlungssituationen, Präsentationen – warum aber eigentlich eher selten für Recruiting/ Jobinterviews?   Warum ein Bewerberinterview-Training in jedes Führungsnachwuchsprogramm gehört? Darüber haben wir schon an anderer Stelle geschrieben.

* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.