AC-Qualität durch Zielgruppenorientierung steigern

Zielgruppenorientierung für mehr Erfolg in ACs
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Zukunft Personal 2016 (neudeutsch #ZP16) – die Personalerwelt trifft sich in Köln. Und es ist immer wieder schön, auf bekannte und neue Gesichter zu treffen. Gerade gestern traf ich den Ausbildungsbeauftragten eines mittelständischen Unternehmens wieder, dem ich bereits im letzten Jahr auf der Messe begegnet war. Wir sprachen damals unter anderem über ein Assessment Center, das vom Unternehmen zur Auswahl von Auszubildenden eingesetzt wurde. Irgendwie hatten seine Kollegin und er den Eindruck, dass man im Rahmen des bisherigen ACs die Kandidaten nicht so kennenlernt, wie sie wirklich sind. Daher konnten sie sich auch kein wirklich gutes Bild von deren Fähigkeiten machen und die Rückmeldung an die Bewerber fiel folglich teilweise schwer.

Den Ausbildungsbeauftragten interessierte, ob und wie unser Online Azubi-Einstellungstest im Assessment Center dazu beitragen könnte, ein besseres Bild von den Kandidaten zu bekommen. Nachdem wir über die Möglichkeiten der Integration eines Tests gesprochen hatten, fragte ich ihn, was denn sonst für Übungen im AC integriert sind. Und so erfuhr ich, dass man eigentlich keine spezielle Übungen für die Auszubildenden hat, sondern auf Arbeitsproben für Fachkräften sowie auf ein Set an Aufgaben zurückgreift, die man sonst zur Auswahl von Hochschulabsolventen nutzt. Warum das nicht erste Wahl ist und was bessere Alternativen wären, darüber haben wir dann noch länger gesprochen.

Ich habe mich deshalb gestern besonders gefreut, als er mir von den Änderungen bei der Azubiauswahl im letzten Jahr erzählte (s.u.) und meinte: “Gut dass wir im letzten Jahr über das Thema gesprochen haben.” Auch wenn wir uns nicht mehr an jedes Detail unseres damaligen Gespräches erinnern konnten – aber das waren u.a. Themen, über die wir uns unterhalten haben (hier mit ein paar aktuellen Links/Beispielen versehen):

Organisation von Azubi-ACs

In aller Regel werden Azubi-ACs als Gruppen-ACs von bis zu acht Teilnehmern durchgeführt. Meist sind die Assessment Center als Halbtages- oder Tagesveranstaltungen mit entsprechend vielen Übungen gestaltet. Dabei werden besonders gerne eingesetzt:

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In den letzten Jahren hat sich der Trend weg von reinen Test-Situationen hin zu Bewerbertagen verstärkt. D.h. die Ausbildungsbetriebe geben im Rahmen der Veranstaltung auch Informationen zur Ausbildung. Das wird auf unterschiedliche Art und Weise organisiert, Beispiele sind:

  • Präsentation vor der Teilnehmergruppe (durch einen Ausbilder/Personaler, einen Auszubildenden-Vertreter oder aktuelle Auszubildende)
  • “Vernissage” (hier werden Plakate und Informationsgrafiken mit relevanten Informationen auf Moderationswänden, Litfaßsäulen etc. gehängt und z.B. in den Vorbereitungs- und Pausenräumen zur Sichtung in Eigenregie platziert)
  • Zusammentreffen mit aktuellen Auszubildenden z.B. zu einer Fragestunde, einem gemeinsamen Essen/ Kaffeetrinken etc.
  • Rundgang durch das Unternehmen (durch einen Ausbilder/Personaler, einen Auszubildenden-Vertreter oder aktuelle Auszubildende)

Grundsätzlich sollte am Ende eines ACs ein möglichst differenziertes Feedback an die Teilnehmer stehen. Hier zeigen aber unsere Einblicke in die Unternehmenspraxis, dass sich Unternehmen oft schwer tun und dazu tendieren, nur das generelle “Endergebnis” zu kommunizieren.

Auf die Übungen kommt es an

Nehmen wir das Beispiel Gruppendiskussion oder Gruppenarbeit. Hier teilt man die Bewerber in Gruppen ein und lässt sie über ein bestimmtes Thema diskutieren oder etwas gemeinsam erarbeiten. Dabei möchte man sich i.d.R. gerne ein Bild machen, wie die einzelnen Bewerber in der Gruppe agieren, wie sie kommunizieren, miteinander kooperieren, ihre Interessen und Standpunkte dabei verfolgen und mit Spannungen, Meinungsverschiedenheiten und unterschiedlichen Persönlichkeiten umgehen.

Gern verwendete Themen

Thematisch greifen Unternehmen dabei gerne auf allgemeine politische oder gesellschaftliche Themen zurück. Bei Recherchen im Internet findet man dazu Beispiele wie

  • Soll Deutschland finanziell angeschlagenen EU-Staaten wie Griechenland helfen?
  • Soll der Staat erneuerbare Energien finanziell fördern?
  • Fremder Planet: Denken Sie, dass eine Besiedlung fremder Planeten sinnvoll wäre? Warum? Welche (wirtschaftlichen, politischen) Auswirkungen hätte das auf der Erde? Welche Funktion würden Sie bei einer Besiedlung fremder Planeten gern übernehmen?
  • Pro und Contra zum Thema Todesstrafe
  • Vorteile einer vegetarischen Ernährung

(Die ersten drei haben wir bei Ausbildungspark gefunden, die beiden letzten bei ME Berufe vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall.)

Andere Unternehmen setzen auf konstruierte Fälle aus der Unternehmenswelt. Auf der Internetseite der R+V-Versicherung findet man dazu dieses Beispiel:

Bsp. Gruppendiskussion Azubi-AC
Quelle: https://www.ruv.de/ratgeber/ausbildung-studium/bewerbung/bewerbung-ac-testaufgaben-2 (18.10.2016, 11:25 Uhr)

Gretchenfrage: Passung?

Natürlich sind das grundsätzlich Diskussionsthemen und natürlich müsste auch jeder Vertreter der Altersgruppe schon mal etwas darüber gehört haben. Aber: man sollte sich die Frage stellen, wie nah die Themen an der Interessens- und Erfahrenswelt der potenziellen AC-Teilnehmer sind und ob die Ausbildungsplatzbewerber sich in dem Thema bzw. mit den verfügbaren Informationen dazu sicher genug fühlen, um “frei weg von der Leber” zu agieren und zu diskutieren.

Man kann ein umso natürlicheres/ authentischeres Verhalten von den AC-Teilnehmern in der Gruppendiskussion/-arbeit erwarten, je vertrauter sie mit einem Thema sind. Sonst besteht die Gefahr, dass die Teilnehmer sich aus Unsicherheit zurückhalten, weniger offensiv ihren Standpunkt vertreten oder Argumente wiedergeben, die sie zwar schon mal gehört haben, aber nicht wirklich die ihren sind. Das alles verfälscht den Eindruck der Beobachter. Sie lernen Bewerber anders kennen als sie wirklich sind. Da AC-Situationen ohnehin in gewisser Weise “künstlich” sind und die Teilnehmer unter Erfolgsdruck stehen, verstärkt sich der Effekt noch.

Zielgruppenorientierte Aufgaben lassen Kandidaten eher sein wie sie sind

Mit Themen, die in der Zielgruppe präsent sind, sie ggf. persönlich betreffen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schon mal diskutiert wurden, fühlen sich Bewerber deutlich wohler. In Bezug auf Gruppendiskussionen/ -arbeiten wären z.B. diese Fundstücke aus dem Internet thematisch bessere Alternativen:

  • Ist die Einführung von Schuluniformen sinnvoll?
  • Wie lässt sich die Beliebtheit von TV-Casting-Shows erklären?
  • Soll der KFZ-Führerschein bereits mit 16 Jahren möglich sein?

Weitere Beispiele haben wir in einer Tipp-/Checkliste “Diskussions-Themen Azubi-AC – Ideen” in der Infothek im Portal Rekrutierungserfolg.de zusammengestellt.

Mehr über Bewerber erfahren – bessere Auswahl und fundiertes Feedback möglich

Kommen wir zu dem Wiedersehen auf der Zukunft Personal 2016 zurück. Der Ausbildungsbeauftragte schilderte mir kurz, was sich seit unserem Gespräch im letzten Jahr getan hat. Das Unternehmen arbeitet heute mit einem mehrstufigen Auswahlverfahren. Den Start macht ein berufsbildbezogener Online-Azubitest, mit dem verschiedene kognitive Fähigkeiten unabhängig von Zeugnisnoten erkundet und objektiv verglichen werden. Wer hier in einer bestimmten Range abschneidet, wird zum neu konzipierten Bewerbertag eingeladen.

Am Bewerbertag bearbeiten die Teilnehmer einen Postkorb, der nicht nur aus Schriftstücken aus der potenziellen Aufgabenwelt in dem angestrebten Ausbildungsberuf besteht, sondern auch Schriftstücke z.B. mit Informationen zur Bandprobe oder zum Betriebssport enthält. Bei einem Rollenspiel zu einer Verkaufssituation kann aus verschiedenen Erlebenswelten eine Situation gewählt werden (z.B. Handykauf). Und bei einer Gruppendiskussion sprechen die Ausbildungsplatzbewerber über eines der o.g. Themen. Ein kurzes Interview mit ebenfalls zielgruppenorientierten Fragen bildet dann den Abschluss des Verfahrens. Und zwischendurch gibt es für die eingeladenen Kandidaten einen Mix aus Informationen, wie wir sie oben genannt haben.

Sein erstes Zwischenfazit: positive Rückmeldungen von Bewerbern und ein deutlich besseres Gefühl der Unternehmensvertreter bei der Bewertung der Teilnehmer. Und damit fällt auch die Rückmeldung an die Teilnehmer leichter. Dem ersten Augenschein nach verhalten sich die nach diesem Verfahren ausgewählten Auszubildenden auch in der Unternehmensrealität mehr so, wie man sie im AC erlebt hat, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Ich bin gespannt darauf, wie es weitergeht, und freue mich auf ein Wiedersehen in 2017 auf der Zukunft Personal, das bereits fest eingeplant ist.

Unsere Checklisten-Empfehlung für Sie

* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.