Reichlich Luft nach oben – professionelle Kompetenzmessung

Anforderungsprofil
@upo

Die Zeiten ändern sich – auch in der Personalauswahl. Während in der Vergangenheit oft nach dem Motto ausgewählt wurde “Hauptsache die Qualifikation für den Job und die Chemie mit dem künftigen Chef stimmen”, werden zunehmend  die persönlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen der Bewerber wichtiger. Aber: Interessanter Weise ist die saubere Messung dieser Kompetenzen bei vielen Unternehmen Entwicklungsland.

Warum die Bedeutung von Kompetenzen steigt?

  • Der demographische Wandel einerseits und die Offenheit von Bewerbern für Stellen außerhalb ihrer bisher eingefahrenen Pfade (vgl. Stepstone/TNS-Studie 2014) andererseits führt dazu, dass die Zahl einschlägig qualifizierter Bewerber für eine Stelle abnimmt.
  • Internationales Recruiting gewinnt an Bedeutung. Dadurch sin Unternehmen zunehmend mit nur schwer einordbaren internationalen Qualifikationsabschlüsse konfrontiert.
  • Angesichts des drohenden Fachkräftemangels muss man bei Einstellungen heute schon darauf achten, dass der Bewerber nicht nur zu den gerade aktuellen Job passt, sondern Potenzial für andere Aufgabenbereiche mitbringt.
  • Studierende schließen immer früher ihr Studium ab, das Erfahrungssammeln und die Entwicklung von Soft Skills bleiben häufig auf der Strecke.
  • Bewerber erwarten, dass nicht nur ihre Qualifikation und Erfahrung zählt, sondern auch ihre Persönlichkeit zur Geltung kommt. Sie möchten außerdem fair und objektiv bewertet werden. (siehe u.a. CHRIS u.a. im Auftrag von Monster: Bewerbungspraxis 2014, S. 14)
  • Zur Effizienzsteigerung in der Personalauswahl werden zunehmend personaldiagnostische Tools angeboten, die nur dann funktionieren, wenn ein Kompetenzmodell hinterlegt wird (z.B. CV-Parsing, zeitversetzte Videointerviews, Online-Assessments).

Die Analyse vorhandener Kompetenzen setzt jedoch ein Kompetenzmanagement und professionelles Messen von Kompetenzen in Unternehmen voraus. Und genau daran hapert es noch häufig.

Unternehmerisches Kompetenzmanagement noch ausbaufähig

Eine Studie von Scheelen aus 2013 liefert hierzu ein paar spannende Ergebnisse (n=139, Befragung aus Herbst 2013). In vielen Unternehmen wird Kompetenzmanagement noch sehr stark auf die Durchführung von Trainings, Schulungen und damit die Weiterentwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten fokussiert. Für das Recruiting und Talent Management spielt es (noch) eine deutlich geringere Rolle.

Kompetenzmanagement

Es zeigt sich auch, dass zur Messung von Kompetenz noch stark auf eher subjektive als auf objektivierbare Verfahren gesetzt wird. Im Recruiting wie in der Personalentwicklung wird vor allem auf Vorgesetztenbeurteilungen und Selbsteinschätzungen gesetzt. An dritter Stelle liegen selbst entwickelte Beurteilungssysteme. Professionelle, valide Prognostiktools werden deutlich seltener eingesetzt: im Recruiting von 40% der befragten Unternehmen, in der Personalentwicklung von 31,6%. Und auch der Einsatz kompetenzbasierter Interviews hat noch Luft nach oben: 29% der Befragten setzen noch keine kompetenzbasierten Fragen in Vorstellungsgesprächen ein.

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Kompetenzmessung

Interessant ist, dass diejenigen, die ein personaldiagnostisches Testverfahren einsetzen zu einem sehr hohen Anteil damit zufrieden (48%) oder sehr zufrieden (49%) sind – das zeigt eine Befragung des HRM Research Instituts, das 2013 zusammen mit der Fachzeitschrift personal manager eine Umfrage in der D-A-CH-Region zum Einsatz von Testverfahren für die Personaldiagnostik durchgeführt hat.

Ursachenanalyse am Beispiel diagnostische Testverfahren

Stellt sich die Frage, warum Unternehmen professionelle Diagnostik-Instrumente wie Testverfahren eher verhalten zur Kompetenzmessung einsetzen: Neben einer pauschalen Absage “kein Bedarf” gaben die Befragten der gerade genannten Studie Zeitmangel, Unsicherheit bei der Auswahl eines passenden Verfahrens sowie die Kosten als  Top 3- Gründe gegen den Einsatz an.

Argumente gegen Testverfahren

Sind die Gründe wirklich haltbar?

  • Zeitmangel: sicher kostet die Implementierung und ggf. auch die Anwendung personaldiagnostischer Instrumente Zeit. Aber wieviel Zeit kosten die Organisation und Durchführung unnütz geführte Vorstellungsgespräche, interne Diskussionen zur Bewertung von Kandidaten, das Abspringen von Bewerbern, die sich nicht fair behandelt fühlen, die Nichtbesetzung von Stellen, weil man unsicher bzgl. der Kandidateneignung ist, die Administration von Fehleinstellungen usw.
  • Unsicherheit bei Auswahl geeignetes Verfahren: Für die Entwicklung eines Kompetenzmodells sowie die Auswahl/Entwicklung passender Verfahren gibt es externe Fachexperten. Diese können hier ihre Expertise sowie Marktkenntnis ebenso einbringen wie das gesamte Dienstleistermanagement übernehmen. Wer nicht auf externe Experten zurückgreifen möchte, der kann die DIN 33430, die die Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen beschreibt, zur Orientierung nutzen. 
  • Preis: Die Entwicklung von funktionierender Auswahlverfahren ist mehr als das Zusammenschustern von ein paar Testaufgaben oder Fragen. Damit die Verfahren auch valide sind, bedarf es speziellen Fachwissens zur Methodik, Auswertung und Interpretation. Außerdem müssen die Verfahren getestet und an technologische Entwicklungen angepasst werden. Hinter all dem steht ein enormer Entwicklungs- und Anpassungsbedarf, der seinen Preis hat. Auf der anderen Seite sparen diese Verfahren aber auch jede Menge Geld, da sie nachweislich mehr Sicherheit in die Personalauswahl bringen und Fehlbesetzungen vermeiden helfen. In der Studie Recruiting Trends 2014+ von PAPE lab. gaben die Befragten Kosten in Höhe von durchschnittlich 50.000 EUR je Fehlbesetzung an. Da rechnet sich eine Investition in ein komeptenzbasiertes Auswahlverfahren schnell.

Fazit: Wer professionell Personal auswählen möchte, sich trotz angespanntem Arbeitsmarkt zeitnah mit geeigneten Kandidaten verstärken will und teure Fehlentscheidungen vermeiden möchte, ist mit der Implementierung eines Kompetenzmodells und kompetenzbasierter Personaldiagnostik gut beraten – und kann es auch für weitere personalpolitische Bereiche nutzen wie Personalentwicklung oder Vergütungsmodell.

 

Weitere Literaturhinweise:

Bildnachweis: @upo sowie Quellen unterhalb der Abbildungen

* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.