Wie Recruiter zu Bewerberverstehern werden können

Primärstudien und Sekundärstudien über Bewerberzielgruppen
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Die generelle Positionierung als Arbeitgeber spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, welche Kandidaten welche Unternehmen als potenzielle Arbeitgeber wahrnehmen (Stichwort: Employer Branding). Teil des weiteren Personalmarketings ist es jedoch, durch gezielte Suche und gezielte Ansprache möglichst diejenige Zielgruppe zu erreichen, die vorab durch das Unternehmen definiert wurde. Um gezielt Bewerbergruppen suchen und ansprechen zu können, müssen Recruiter aber wissen, wie die Zielgruppen „ticken“.  Wie wird also aus einem Recruiter ein Bewerberversteher? – Dieser Frage geht dieser Blog-Beitrag nach.

Steht ein Unternehmen vor einem neuen Prozess der Bewerberauswahl, hat es viele Möglichkeiten sich im Vorfeld der Bewerbersuche über potenzielle Bewerberzielgruppen zu informieren. Um relevante Informationen zu sammeln, liegt der erste wichtige Schritt somit zunächst in der Definition der Bewerberzielgruppe. Nur durch die Festlegung auf spezifische Zielgruppenmerkmale kann von Beginn an zielführend nach passenden Kandidaten gesucht und das Personalmarketing-Budget im Verlauf der Bewerbersuche effizient eingesetzt werden.

Zielgruppendefinition

Bei der Definition der Bewerberzielgruppe können Recruiter sich gut am klassischen Marketing orientieren. Hier wird zwischen Zielgruppen, Kernzielgruppen und Sekundärzielgruppen unterschieden. Recruiter sollten dieses Muster auf ihre Bewerberzielgruppen übertragen und unterscheiden, ob sie Auszubildende, Studierende, Absolventen, Führungskräfte oder andere Gruppen adressieren wollen. Bei Hochschulabsolventen etwa ist die Zielgruppe beispielsweise „Hochschulabsolventen“, die Kernzielgruppe „Hochschulabsolventen ein Jahr vor dem Abschluss“ und die Sekundärzielgruppe „Hochschuldozenten und Unternehmer, die Einfluss auf die Berufswahl der Hochschulabsolventen ausüben“.

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Welche Profilfragen Recruiter stellen sollten

Erst nach dieser Feinsegmentierung und der Festlegung der Kompetenzanforderung lassen sich genaue Profilfragen definieren:

  • Wo bewegen sich die jeweiligen Zielgruppen, wie kann ihre Aufmerksamkeit erlangt werden bzw. wie können diese angesprochen und erreicht werden?
  • Welche Wünsche haben die Bewerber an das Unternehmen? Wie können diese Wünsche berücksichtigt werden und ggf. schon in die Bewerberansprache einfließen, um die Erfolgschancen, passende Bewerber zu finden, zu erhöhen?

Der Beantwortung dieser Fragen können sich Recruiter nähern, indem sie verschiedene Informationsquellen nutzen. Bei der Vielzahl an verschiedenen Herangehensweisen fällt es allerdings oft schwer, einen Überblick zu behalten. Jedoch lassen sich trotzdem grob zwei Unterteilungen finden: Zunächst kann theoretisch zwischen Primär- und Sekundärdaten unterschieden werden. Während Primärdaten durch direkte Befragungen und Beobachtungen entstehen, werden Sekundärdaten aus bestehenden, sowohl internen als auch externen, Quellen recherchiert. Da Sekundärdaten einfacher und meist kostenfrei zu erhalten sind, beginnt die Analyse der Profilfragen meist mit Sekundärdaten. Primärdaten werden in einem zweiten Schritt zur Vertiefung und Schärfung der Bewerberanalyse erhoben.

Welche Bedeutung nehmen Sekundärstudien für die Bewerberanalyse ein?

Immer mehr Unternehmen nutzen Studien und Umfragen dazu, um ihre Zielgruppe an potentiellen Kandidaten kennenzulernen und um ihre Interessen und Erwartungen an den Arbeitgeber einschätzen zu können. Die nützlichste Quelle für die Erhebung von Sekundärdaten ist ohne Zweifel das Internet. Der schier unendliche Informationsreichtum des Netzes wird dabei allerdings zunehmend durch folgende Probleme begrenzt:

  1. Die gesuchten Daten sind im täglich wachsenden Informationsdickicht nicht immer leicht aufzufinden.
  2. Die Qualität und Glaubwürdigkeit der Daten ist schwer einzuschätzen, da keine Instanz ihre Korrektheit überprüft.
  3. Die Relevanz der Daten ist zudem fraglich, da es eine große Menge an sehr kleinen Studien und Umfragen gibt, die täglich veröffentlicht wird.

Gezielte Suchstrategien über Online-Fachjournale und Branchen-Organisationen sind daher oft zuverlässigere und schnellere Suchstrategien zur Marktforschung als allgemeine Anfragen bei Suchmaschinen. Ein Blick in vorhandene Marktforschungsstudien von branchenbekannten Marktforschungsunternehmen, etwa zur Gruppe der Hochschulabsolventen, kann somit für einen Recruiter eine erste Orientierung auf dem Weg zum Bewerberversteher sein.

Durch Sekundärstudien kann eher der erste Fragenkomplex der oben genannten Profilfragen beantwortet werden.

Welche Bedeutung nehmen Primärstudien für die Bewerberanalyse ein?

Auf der Grundlage der Sekundärdaten ist es für Recruiter ratsam, sich die einzelnen Gruppen genauer anzuschauen. Bei Primärumfragen muss beachtet werden, dass die Grundgesamtheit in den meisten Fällen nicht sehr groß ist. Primärstudien sind damit nicht unbedingt auf größere Einheiten übertragbar, die Informationen gehen dafür aber oft mehr in die Tiefe. Folgende Möglichkeiten der Primärdatenerhebung sind denkbar:

  • Umfragen über Bewerbererwartungen können Aufschlüsse über die Bewerberwünsche geben. Beispielsweise liefern Evaluationen zu unternehmensinternen Karrieretagen oder Befragungen über unternehmensinterne Social Media Kanäle bereits wertvolle Daten. Onlineumfragen gelten als ideal, um detaillierte, unvoreingenommene und gezielte Informationen zu erhalten. Schriftliche oder telefonische Interviews sind darüber hinaus eine Maßnahme der Bewerberbefragung.
  • Fokusgruppenbefragungen ermöglichen Arbeitgebern ein recht anschauliches Bild von den Bedürfnissen und Gewohnheiten der potentiellen Bewerber. Durch Diskussionen von Leitfragen mit internen Mitarbeitern und externen Teilnehmern können Defizite in der Bewerberkommunikation entdeckt und die Kommunikationsstrategie insgesamt verbessert werden.
  • Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen sowie Exit-Gespräche sollten in der (Neu-) Ausschreibung von Stellen unbedingt berücksichtigt werden. Durch diese Gespräche können wertvolle Informationen über die Bedürfnisse der Zielgruppe erlangt werden, um eine passende Kommunikationsstrategie für diese Zielgruppe zu finden.
  • Beobachtungen liefern ebenfalls Erkenntnisse über die eigene Bewerberzielgruppe, durch die Recruiter auch im Nachhinein profitieren können. Bei Karrieremessen, Bewerbungstrainings, Bewerbungsgesprächen und weiteren Veranstaltungen bietet sich die Möglichkeit die genaue Bewerberzielgruppe kennenzulernen. Dadurch kann ein Austausch von Bewerbern und Unternehmensverantwortlichen zustande kommen. Was berichten potentielle Bewerber? Welche Wünsche/ Ängste/ Kritik gibt es unter potentiellen Bewerbern? Wenn Beobachtungen stetig in Erfahrungsberichte einfließen, stellt dies eine große Chance dar, Bewerber zu verstehen.

Durch Primärstudien kann eher der zweite Fragenkomplex der oben stehenden Profilfragen beantwortet werden.

Zu guter Letzt

Auf der Basis der recherchierten oder erhobenen Daten, aus der sich Erreichbarkeit und Wünsche der potentiellen Bewerberzielgruppe ableiten lassen, müssen Recruiter in einem letzten Schritt die geeigneten Kommunikationskanäle und -maßnahmen zur Personalgewinnung auswählen.

Über den Erfolg eines solch maßgeschneiderten, zielgruppenspezifischen Recruitings entscheidet zum Schluss ebenso die Frage, ob es dem Unternehmen gelingt, die Markenbotschaft als Arbeitgeber klar zu kommunizieren (Stichwort: Employer Branding). Als Grundlage muss daher immer eine einheitliche Botschaft formuliert werden, die für alle Zielgruppen gleichermaßen gilt. Die konkrete Ausgestaltung der weiteren Ansprache genauso wie die Medienauswahl sollte jedoch möglichst genau zur Bewerberzielgruppe passen.

Welche Ideen haben Sie zu dem Thema „Zum Bewerberversteher werden“ und wie sehen Sie die Zukunft des zielgruppenspezifischen Personalmarketings? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare.

 

Bildnachweis:  Analyse der Quartalszahlen © M&S Fotodesign – Fotolia.com

 

Monika Bergers (Gastautorin)