Ausbau der E-Mobilität: Autobranche findet keine passenden Fachkräfte

Die Automobilindustrie hat Probleme, das Thema E-Mobilität auf die Straße zu bringen. Hauptherausforderung ist die Know-how-Lücke für den Umbau der Wertschöpfungskette. Weil die nötigen Experten auf dem Arbeitsmarkt Mangelware sind, setzt die Mehrheit der Hersteller und Zulieferer auf Weiterbildung. Hinzu kommt ein weiteres Problem: die Akzeptanzlücke. Deshalb forciert die Branche den Elektroantrieb als Marketingthema in der Öffentlichkeit. Das zeigt die Studie "Branchenkompass Automotive 2019" von Sopra Steria Consulting und dem F.A.Z.-Institut.

E-Mobilität ist Hoffnungsbringer und Herausforderung zugleich. 87 Prozent der befragten Hersteller und Zulieferer sehen die Technologie als den Wachstumstreiber der Zukunft. Neue Antriebssysteme werden den Verbrennungsmotor langsam verdrängen und somit umweltfreundlicher, ruhiger und sparsamer. Bis 2022 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein, so das erklärte Ziel der Bundesregierung. Kunden sollen bis 2020 zwischen 100 verschiedenen E-Modellen wählen können. Doch abseits der Euphorie stellt E-Mobilität die Autobauer vor große Hürden. Aktuell betiteln die befragten Entscheider den neuen Antrieb als größte Herausforderung der Branche. Um batteriebetriebene Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, muss die komplette Wertschöpfungskette umgebaut werden. Dafür brauchen die Unternehmen zusätzliches Know-how in verschiedenen Bereichen wie Elektrotechnik, Mechatronik oder Software. Fachkräfte sind aktuell jedoch Mangelware.

E-Learning und Recruiting

Der Themenkomplex "Mitarbeiter und Fortbildung" stellt die zweitgrößte Herausforderung für die Automobilbranche dar, so die Studie. Die Unternehmen wollen das Problem vor allem intern lösen. Fahrzeughersteller wie Porsche und Zulieferer wie Bosch setzen beispielsweise auf Fortbildungen und Umschulungen, um die vorhandene Wissenslücke zu schließen. Mit E-Learning-Programmen will die Branche möglichst viele Mitarbeiter in kurzer Zeit qualifizieren. Der Transformationsprozess lässt sich mit multimedialen Trainings schneller und günstiger gestalten. Rund 60 Prozent der Hersteller und Zulieferer nutzen aktuell computergestützte Angebote zur Schulung ihrer Belegschaft. Bei großen Unternehmen sind es sogar 87 Prozent. "Das Branchenwissen ist vorhanden. Nun gilt es, aus Spezialisten für Verbrennungsmotoren Experten für Batterietechnik und Elektroantriebe zu machen", sagt Ziad Blal, Leiter der Geschäftssparte Automotive bei Sopra Steria Consulting.

Unklar ist allerdings, welche Batterietechnik sich durchsetzen wird: 41 der befragten Entscheider gehen davon aus, dass die Wasserstofftechnologie langfristig die zentrale Technologie im Antriebsstrang darstellen wird, zum Teil in Hybridform mit Elektrotechnologie. Kurzfristig steht die Feststoffbatterie hoch im Kurs. "Die Produkte und Dienstleistungen der Branche verändern sich so rasant wie noch nie. Die Unternehmen sind gefordert, die Jobanforderungen für verschiedene Zeiträume zu planen und anzupassen. Zudem müssen sie die Mitarbeiter auf lebenslanges Lernen einstellen", so Blal.

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Parallel will die Automobilbranche die Qualität des Recruitings verbessern. Jobprofile sollen auf die neuen Bedürfnisse angepasst und Auswahlverfahren beschleunigt werden. Ziel ist es, schneller und deutlich mehr E-Mobilitäts-Experten, Datenspezialisten sowie Softwareingenieure zu gewinnen. IT-Experten werden ebenso dringend gebraucht wie Ingenieure mit Know-how für neue Antriebsstränge. Dafür sorgt der parallel laufende Umbau zu digitalen Plattformen. Mit der Nutzung großer Datensätze wollen die Automobilunternehmen neue Umsatztreiber wie Connected Car und künftig autonomes Fahren voranbringen.

Marketing wird hochgefahren

Neben der Herausforderung, Mitarbeiter zu gewinnen und auf den Wandel vorzubereiten, steht die Industrie vor einem weiteren Problem: die fehlende Akzeptanz der Kunden für Elektrofahrzeuge. Wiederkehrende Kritikpunkte des neuen Antriebs sind vor allem die überschaubare Reichweite, die unzureichende Verbreitung der Ladestationen und die lange Ladezeit. Auf Seiten der Unternehmen sind knapp ein Viertel der befragten Entscheider überzeugt, dass der Elektromotor kurz- und mittelfristig die beste Antwort auf Luftverschmutzung und Lärmemissionen sein wird. Deswegen tragen die Unternehmen das Thema aktuell stark nach außen: Für 34 Prozent der Entscheider ist E-Mobilität aktuell ein wichtiges Thema in der Kommunikation. Vor allem Hersteller erhöhen ihr Marketingbudget, um Kunden zu informieren.

Ein weiterer Grund, das Thema zu forcieren, ist der globale Wettbewerb. Deutsche Elektroautos verlieren zunehmend Marktanteile, besonders im Vergleich zu ausländischen Herstellern wie Tesla oder NIO. Zudem wächst der Markt für Elektroautos in Deutschland unterdurchschnittlich. In den USA, China, Norwegen und Frankreich fahren deutlich mehr Menschen ein batteriebetriebenes Fahrzeug. Am erkennbaren Schwenk in der Werbung und Kundenkommunikation lässt sich ablesen, dass die Traditionsmarken in Deutschland ihre Wettbewerber inzwischen ernst nehmen und ihre Defizite im Vertrieb von Elektrofahrzeugen wettmachen wollen.

Die Studie kann unter https://bit.ly/Studie_BKAutomotive2019 bestellt werden.

 

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