Seit das Gespenst des Fachkräftemangels durch die Unternehmen geistert, fokussieren sich viele Arbeitgeber darauf, in der Bewerberansprache immer neue Wege zu gehen, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und ihren Außenauftritt professionell zu gestalten. Aber Recruiting ist eben mehr als Bewerberansprache. Die eigentliche Personalauswahl und hier insbesondere die persönlichen Kennenlernsituationen in Bewerbungsgesprächen laufen oft weiter nach dem Motto „Haben wir immer schon so gemacht“ ab. Aber auch hier tut Professionalisierung Not. Warum – dafür gibt es zumindest diese sieben Gründe.
1. Wer A sagt, muss auch B sagen
Halbe Sachen sind immer problematisch. Was nützt ein schöner Außenauftritt mit Stellenanzeigen und Karriereseite, eine gekonnte Ansprache latenter Bewerber durch Active Sourcing und Karriere-Events, wenn es dann nicht ebenso gekonnt weitergeht. Wer auf technische Schwierigkeiten beim Bewerben, 0-8-15 Bewerberkommunikation, ein schlechtes Interview-Setting, Frage-Antwortspiele ohne Mehrwert und fehlendes Feedback trifft, dem wird ganz schnell klar, dass alles vorab auch nur Fassade war. Glaubwürdigkeit? Erneute Bewerbung? Weiterempfehlung? Die gibt es nur, wenn der Auswahlprozess in Sachen Professionalität dem Anwerbeprozess in nichts nachsteht. Oder viel besser noch: ihn toppt.
2. Gestiegene Bewerberansprüche – Erwartungsenttäuschungen vermeiden
Kandidaten stellen heute höhere Ansprüche an Personalauswahlverfahren als noch vor wenigen Jahren. Sie haben meist mehrere Job-Alternativen, sind selbstbewusster und Dank Social Media informierter über Erfahrungen, die andere machen. So wünschen sie sich u.a. Bewerbungsgespräche auf Augenhöhe und einen fairen und wertschätzenden Umgang im Auswahlprozess. Auch wollen sie in Gesprächen und Auswahlverfahren gefordert werden und sich und ihr Können unter Beweis stellen. Und sie erwarten schnelle und begründete Entscheidungen. Finden sie das nicht vor, entscheiden sie sich schnell gegen einen Arbeitgeber und treten von ihrer Bewerbung zurück. Umgekehrt wird ihr Interesse verstärkt, für genau dieses Unternehmen zu arbeiten.
3. Arbeitgeber- und Unternehmensimage stärken
Kandidaten sprechen über ihre Erlebnisse und Erfahrungen in der Personalauswahl im Bekanntenkreis wie in Social Media und bewerten Arbeitgeber entsprechend in Bewerberbefragungen und auf Bewertungsplattformen. Viele Kandidaten informieren sich vor einer Bewerbung ausgiebig über den potenziellen Arbeitgeber. Die vorgefundenen Informationen beeinflussen ihr Bild vom Arbeitgeber und ihre Motivation, sich zu bewerben. Dass sich solche Wahrnehmungen sogar – wie Studien zeigen – auf das Unternehmen als Produkt- oder Dienstleistungsanbieter auswirken, ist vielen Arbeitgebern gar nicht bewusst.
4. Auswahlprozess beschleunigen
Klare Anforderungen, abgestimmte Vorgehensweisen, qualifizierte Akteure, Leitfäden und Bewertungsraster – so greifen die Dinge ineinander. Dadurch werden unnötige Schleifen vermieden, Struktur ist gegeben, der gesamte Prozess wird vereinfacht und damit auch beschleunigt.
5. Entscheidungen objektivieren
Vorab festgelegte Anforderungen und Bewertungskriterien mit klaren Beschreibungen und Verhaltensankern geben Sicherheit von der Bewerbungsanalyse bis zum letzten Auswahlschritt. Entscheidungen werden weniger subjektiv getroffen, die Akzeptanz der Entscheidungen steigt – intern wie gerade auch bei Kandidaten.
6. Passgenauigkeit neuer Mitarbeiter steigern
Wenn man Kandidaten anhand klarer, jobbezogener Anforderungen auswählt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie schnell in die neuen Aufgaben hineinwachsen und ihre Produktivität entfalten können. Fehlen notwendige Kompetenzen, lassen diese sich einfach feststellen und mit entsprechenden Entwicklungsmaßnahmen schnell aufbauen.
7. Zufriedenheit aller Beteiligten erhöhen
Wenn der Recruiting-Prozess zügig und erfolgreich verläuft, wirft dies ein gutes Licht auf die, die den Hut dafür aufhaben: Personalbereich bzw. Recruiter. Sie erhalten Anerkennung und Wertschätzung, wenn die Führungskräfte ihr Besetzungsziel erreichen, die Teamkollegen wieder entlastet werden und die Newcomer sich schnell als produktives und wertvolles Teammitglied fühlen.
Und wie jetzt Personalauswahl professionalisieren?
Stellt sich die Frage, wie die Personalauswahl an Professionalität gewinnen kann. Letztlich gibt es drei wesentliche Schrauben, die gedreht werden können und die ineinander greifen:
- die Organisation und Abläufe der Personalauswahl
- die eingesetzten Tools und Instrumente
- die beteiligten Akteure
Mal hier und da zu schrauben oder alles auf einmal auseinander zu nehmen – alles Möglichkeiten, aber wenig zielführend. Erstmal muss man wissen, wo man steht und wie der Status quo ist. Ein Abgleich zeigt auf, wo Handeln am Dringlichsten ist. Und dann kann zielgerichtet und planvoll ans Optimieren gegangen werden.
Wer sich jetzt fragt, wie man denn einen Überblick darüber bekommt, was andere Unternehmen machen und wie der Status quo ist, dem können wir einen Tipp (in eigener Sache) geben: Gerade ist die Arbeitgeberumfrage Personalauswahl-Praxis #PersAP2018 angelaufen; Mitmacher können die Ergebnisse erhalten und selbst mal vergleichen.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.