Mobile Recruiting 2015 – Nachholbedarf im Mittelstand

Mobile RecruitingGerade erst veröffentlich: Die Recruiting Trends 2015 von CHRIS (Centre of Human Resources Information Systems der Universität Bamberg) und Monster – und schon sind eine Reihe von Headlines in den News: “Die mobile Mitarbeitersuche ist Realität”, “Das Ende des Bewerbungsschreibens?”, “Verlassen Sie ausgetretene Pfade”, “Mobile Recruiting DER Trend der Zukunft” oder einfach nur “Mobile Recruiting”. Auf den ersten Blick hat also der Themenschwerpunkt “Mobile Recruiting” gewonnen und erhält sehr viel Beachtung.

Auch ich finde, dass dieser Themenschwerpunkt einige interessante Ergebnisse zeigt (siehe Headline 🙂 ) . Dabei haben die Studien auch noch einiges mehr zu bieten. Gerade im Vergleich der Top-1000-Unternehmen und der mittelständischen Unternehmen sowie verschiedener Branchenbetrachtungen können gefühlt unzählige Perspektiven eingenommen und Ableitungen  getroffen werden.

Den Vergleich der Großunternehmen mit dem Mittelstand finde ich besonders spannend. Deshalb habe ich mir ein paar Themenschwerpunkte unter diesem Fokus angesehen.

Fast schon Harmonie: Interne und externe Trends

Bei den externen (nicht direkt beeinflussbaren) Trends liegen die Einschätzungen der befragten Unternehmen kaum auseinander. Große wie mittlere Unternehmen halten vor allem den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel für wichtige externe Entwicklungen.

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Auch bei den internen Trends sind die beiden am wichtigsten eingeschätzten Entwicklungen übergreifend gleich:

Bei den weiteren abgefragten Trends gibt es zwar Verschiebungen in der Platzierung. Diese resultieren aber aus sehr geringen Unterschieden in der durchschnittlichen Bewertung.

Mitarbeiter gesucht: Personalbedarf und erwartete Probleme ähnlich

Jedes zweite befragte Großunternehmen rechnet mit einem Anstieg der Mitarbeiterzahl in 2015. Im Mittelstand ist diese Erwartung etwas schwächer ausgeprägt (43%). Sowohl bei den schwierig als auch bei den nicht zu besetzenden Vakanzen sind die mittelständischen Unternehmen weniger optimistisch wie die Top-1000-Unternehmen. So rechnen die mittelständischen Unternehmen mit gut 38% schwierig und gut 6% nicht besetzbaren Vakanzen (Top-1000-Unternehmen: 34% und 5%). Allerdings ist ein deutlicher Rückgang zu den Ergebnissen aus 2013 zu verzeichnen (42% und fast 10%).

Auch bei den beiden wichtigsten Maßnahmen gegen Besetzungsprobleme unterscheiden sich Mittelstand und Top-1000 nicht. In beiden Größenordnungen sind eigene Ausbildungsmaßnahmen und flexible Arbeitszeitmodelle die wichtigsten Hebel zur Stellenbesetzung.

Der kleine Unterschied: Recruiting-Kanäle

Bei den eingesetzten Recruiting-Kanälen veröffentlichter Vakanzen zeigen sich deutlichere Unterschiede zwischen Mittelstand und den Top-1000 (siehe Abbildung 1).

Recruiting Kanäle bei veröffentlichten Vakanzen
Abbildung 1: Genutzte Recruiting-Kanäle bei veröffentlichten Vakanzen
  • Die Top-1000-Unternehmen nutzen deutlich stärker die eigene Webseite, Internetstellenbörsen und Social Media zur Verbreitung vorhandener Vakanzen.
  • Dagegen setzen mittelständische Unternehmen häufiger auf die Arbeitsagentur und Printmedien.
  • Mitarbeiterempfehlungen werden im Mittelstand bei fast einem Drittel der Vakanzen eingesetzt. Und in Hinblick auf erzielte Einstellungen ist dieser Kanal beim Mittelstand mit über 15% recht erfolgreich (bei Top-1000-Unternehmen 8%).
  • Bei der direkten Ansprache von Bewerbern ist der Mittelstand aktiver als die Top-1000. Für jede vierte freie Stelle werden Kandidaten direkt angesprochen (bei den Top-1000 im Vergleich bei 13% der Stellen). Als geeignete Kanäle für Identifikation und Ansprache werden Persönliche Netzwerke, eigener Talent-Pool, Karriereevents und Messen gesehen. Die internetgestützten Möglichkeiten wie Karrierenetzwerke, Spezialistenforen und Lebenslaufdatenbanken halten die Mittelständler dagegen für weniger geeignet als die Top-1000-Unternehmen.

Einstellungen sind bei den Top-1000-Unternehmen hauptsächlich über die eigene Webseite und Internetstellenbörsen (jeweils gut 37%) erzielt worden. In den mittelständischen Unternehmen sind die erzielten Einstellungen über die verschiedenen Recruiting-Kanäle viel gleichmäßiger verteilt. Bis auf Social Media erreichen im Mittelstand alle genannten Kanäle mindestens 15% Anteil an den erzielten Einstellungen.

Vernetzung im Netz: Die Rolle von Social Media

Der Einsatz von Social Media für die Personalbeschaffung wird generell beim Mittelstand weniger positiv gesehen als bei den Top-1000-Unternehmen. Während im Mittelstand nur jeder Vierte Social Media-Anwendung positiv sieht, sind es fast zwei Drittel bei den Top-1000.

Einigkeit besteht darin, dass Recruiter für die Social-Media-Anwendung zusätzliche Fähigkeiten erlernen müssen. Auch die Bedeutung der Social Media bei der Rekrutierung von Kandidaten aus der Generation Y wird beiderseits hoch eingeschätzt.

Trotz dieser Erkenntnis ist die tatsächliche Nutzung von Social Media für

  • Stellenanzeigen
  • Image Werbung
  • aktive Kandidatensuche
  • Informationssuche zu bereits identifizierten Kandidaten

bei Großunternehmen wie auch Mittelständlern insgesamt gering ausgeprägt. Immerhin schalten gut ein Viertel der Top-1000 Unternehmen zumindest häufig Stellenanzeigen auf Xing, für die Imagewerbung ist Facebook am häufigsten frequentiert. Bzgl. Kandidatensuche und Recherche zu bekannten Kandidaten ist Xing bei den Top-1000 das häufigste Mittel. Im Mittelstand setzt nur maximal jedes zehnte Unternehmen häufig auf diese Möglichkeiten.

Organisatorisch sind die Top-1000-Unternehmen bzgl. Social Media deutlich besser aufgestellt als mittelständische Unternehmen. Die Rahmenbedingungen wie Social Media-Strategie, Social Media-Kodex, personelle Zuordnungen bis hin zu einem speziellen Redaktionsplan sind bei den Großunternehmen bei einem Drittel bis über die Hälfte vorhanden, während im Mittelstand maximal 17% diese Rahmenbedingungen bejahen.

Die Baustelle im Mittelstand: Mobile Recruiting

Die im Mittelstand erkennbare Zurückhaltung in Hinblick auf Social Media in der Personalbeschaffung findet seine Fortsetzung bei der Ausrichtung der Recruiting-Aktivitäten auf die zunehmende Nutzung von mobilen Endgeräten (Smartphones und Tablets).

  • In den Top-1000 Unternehmen wird die Relevanz von Mobile Recruiting sehr hoch eingeschätzt. Rund drei Viertel der Unternehmen sehen einen großen Einfluss der Nutzung mobiler Endgeräte auf das Recruiting und halten die Ansprache von Kandidaten über mobile Endgeräte für sinnvoll.
  • Diese Einschätzung hat im Mittelstand noch nicht mal jedes zweite Unternehmen. Nur bei der Frage, ob sich Kandidaten zukünftig über mobile Endgeräte bewerben werden, ist der Abstand nicht ganz so groß (40% Mittelstand vs. 57% Top-1000).

Auch von der Bedeutung des Mobile Recruitings zur Gewinnung von Kandidaten aus der Generation Y  ist jeder zweite Mittelständler überzeugt (vs. 2/3 der Top-1000-Unternehmen). Dies schlägt sich aber noch nicht in der tatsächlichen Umsetzung nieder:

  • Nicht mal jedes zehnte mittelständische Unternehmen hat seine Karrierewebseite und Stellenanzeigen für die mobile Nutzung optimiert.
  • Über zwei Drittel der Unternehmen planen nicht einmal, diese wichtigen Kontaktpunkte zum Bewerber hin für mobile Nutzung zu optimieren.
  • Mehr als die Hälfte der Befragten wissen nicht, ob ihre Stellenanzeigen in den Mobile-Apps der Stellenbörsen angezeigt werden.

Während von den Top-1000-Unternehmen die mobile Optimierung bei fast 45% der Karriereseiten und über 30% der Stellenanzeigen bereits erfolgt ist, wissen aber auch hier 45% der Befragten über die Schaltung ihrer Stellenanzeigen in den Stellenbörsen-Apps nicht Bescheid.

Bewerbungseingang à la carte: Bewerbungsformulare vs. E-Mail

Knapp 80% der Kandidaten bevorzugen laut der parallel durchgeführten Studie Bewerbungspraxis 2015 die Bewerbung per E-Mail.

Die Erwartungen auf Unternehmensseite weichen davon mehr oder weniger ab.

  • So favorisieren fast drei Viertel der Top-1000-Unternehmen die bei Bewerbern weniger beliebten Online-Bewerbungsformulare und  nur gut jedes fünfte Unternehmen wünscht sich E-Mail-Bewerbungen.
  • Da sind die mittelständischen Unternehmen näher am Puls der Bewerber: Hier spielt das Online-Bewerbungsformular kaum eine Rolle, während knapp 58% Bewerbungen per E-Mail wünschen.
  • Und dann noch der Klassiker: Immerhin jedes fünfte mittelständische Unternehmen präferiert die Papierbewerbung, die in Großunternehmen kaum noch gefragt ist.

Tatsächlich gehen auch fast so viele Bewerbungen per E-Mail im Mittelstand ein, wie von den mittelständischen Arbeitgebern gewünscht. Knapp ein Viertel der Bewerbungen kommen in Papierform. Auch in diesem Punkt deckt sich dies fast mit den Arbeitgeberpräferenzen.

Bei den Top-1000-Unternehmen werden die gewünschten 75% Formularbewerbungen hingegen nur zu 2/3 erreicht. Dafür gehen deutlich mehr Bewerbungen per E-Mail ein wie präferiert, nämlich 30%.

Implikationen für den Mittelstand

Soweit der Ausschnitt von aus meiner Sicht interessanten Ergebnissen im Vergleich Mittelstand vs. Großunternehmen. Aber was heißt das jetzt für mittelständische Unternehmen und ihr Recruiting?

Viele Beobachtungen der Studien resultieren aus den organisatorischen Rahmenbedingungen. Wenn kein Bewerbermanagementsystem im Einsatz ist, wird es eher auch kein Online-Bewerbungsformular geben. Dann können plötzlich auch Papierbewerbungen Sinn machen, wenn die Unterlagen mangels elektronischem Verteiler sowieso ausgedruckt werden müssten.

Allerdings kommt auch der Mittelstand nicht um die aufgezeigten Trends herum. Der Wettbewerb um die passenden Mitarbeiter nimmt zu. Die mittelständischen Unternehmen erwarten ja sogar größere Probleme bei der Stellenbesetzung.

1. Die Stärken stärken und diese kommunizieren

Mittelständische Unternehmen kommen den Vorstellungen und Erwartungen von Bewerbern an vielen Stellen schon sehr nahe, z. B.:

  • Die Empfehlung von Bekannten wird auch von Bewerberseite als einer der aussichtsreichsten Kanäle eingeschätzt (s. Bewerbungspraxis 2015). Mittelständler greifen gerne auf Mitarbeiterempfehlungen als Recruiting-Kanal zurück.
  • Kandidaten bewerben sich bevorzugt via E-Mail. Mittelständler wünschen sich zu einem hohen Prozentsatz E-Mail-Bewerbungen.

Insofern können mittelständische Unternehmen durch den Ausbau von Mitarbeiterempfehlungen, Direktansprache und Aufforderung zu E-Mail-Bewerbungen bereits vorhandene Wettbewerbsvorteile ausbauen und die “persönliche Karte” ausspielen.

2. Ausbau der E-Recruiting-Aktivitäten

Um die Wettbewerbsposition zu stärken, sollten mittelständische Unternehmen die internet-gestützten Möglichkeiten ausbauen:

  • Bzgl. Nutzung der Unternehmenswebseite (und speziell der Karriereseite) und Internetstellenbörsen liegen mittelständische Unternehmen deutlich gegenüber den Großunternehmen zurück. Da Bewerber die Unternehmenswebseite an dritter Stelle der aussichtsreichsten Kanäle für einen neuen Job sehen (s. Bewerbungspraxis 2015), macht es Sinn hier nachzulegen.
  • Die bereits jetzt aktiver genutzte Direktansprache kann um die internetgestützten Möglichkeiten erweitert werden. Dabei bieten sich Karrierenetzwerke, Spezialistenforen und ggf. auch Lebenslaufdatenbanken an.
  • Grundsätzlich sollte man eine Social Media-Strategie entwickeln und konkret planen, welche Maßnahmen über welches Netzwerk durch wen durchgeführt werden.
  • In Hinblick auf die zunehmende Nutzung von mobilen Endgeräten gerade bei der Stellensuche muss der Mittelstand die Lücke zu den Großunternehmen schließen. Unternehmen, die zukünftig auf mobilen Endgeräten schlechter gefunden werden (siehe “Mobile Ranking Factors: Google macht ernst”), deren Informationen einschließlich Stellenanzeigen nicht nutzbar dargestellt werden, geraten im Wettbewerb um Kandidaten schnell ins Hintertreffen.

Mittelständische Unternehmen werden sich mit den Themen Karriereseite und gezielter Einsatz von Internetstellenbörsen sowie mit den Themen Social Media und Mobile Recruiting beschäftigen müssen. Ein guter erster Schritt ist, Klarheit zu schaffen, wo man steht und wo man hin will. Auf dieser Basis lässt sich dann die schrittweise Umsetzung gut planen. Mit der Doppelstrategie – Ausbau der vorhandenen Stärken einerseits und Forcieren der E-Recruiting Kanäle andererseits – wird der Mittelstand im Wettbewerb um künftige Mitarbeiter gut mithalten können. Keinen Plan zu haben, ist angesichts der Erreichbarkeit zukünftiger Mitarbeiterkohorten sehr fahrlässig, oder?

 

Quellen:

* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Karl-Heinrich Bruckschen
Karl-Heinrich Bruckschen
... unterstützt mit upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg Arbeitgeber bei der Professionalisierung ihres Recruitings durch Recruiting Checks und Beratung, Konzeption von Recruiting Instrumenten, operative Recruiting Services (RPO) oder den Ausbau von Recruiting Kompetenz durch Webinare, Seminare und Workshops. Sein besonderes Augenmerk liegt auf der Verbindung von IT und Recruiting. Daher ist er auch verantwortlich für das Fachportal Rekrutierungserfolg.de.