Candidate Experience schön und gut … – Plädoyer für ein anderes Recruiting Mindset

Statt Einzelmaßnahmen ganzheitliches Recruiting Mindset
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Candidate Experience Management” spielt inzwischen gefühlt in jedem zweiten Blog-, Twitter- oder Forenbeitrag eine Rolle. Umfragen, Webinare, Workshops, Checks und Infografiken – der Blick auf das Recruiting durch die “Kandidatenbrille” avanciert gerade zum neuen Trendthema. Stellt sich die Frage, wie weit das Thema das Denken und Handeln der Recruiting-Akteure wirklich beeinflussen und zu Veränderungen führen wird. Wir befürchten, dass sich grundsätzlich wenig ändern wird, weil die Denke im und die Wertschätzung von Recruiting in vielen Unternehmen einfach nicht stimmt.

Mit Candidate Experience steht ein bisher eher vage definierter und nicht genau abgegrenzter Begriff auf der Agenda, der mit fast jedem Thema rund um das Recruiting in Verbindung gebracht werden kann. Und schon bringen sich alt bekannte und neue Experten in Position, um das Denken und Handeln der Personaler und Recruiter auf Candidate Experience-Management einzuschwören – das neue “Allheilmittel”, um Rekrutierungserfolg zu haben, zu halten oder auszubauen.

Schaut man zurück, so gab es in in letzter Zeit so einige “Rezepte”, die mehr Erfolg im Recruiting versprachen, z.B.:

  • Es wurde viel vom Mythos Fachkräftemangel geredet und deutlich gemacht, dass Unternehmen flexibler agieren, frechmutiger denken und über den Tellerrand hinausschauen sollten, um mit neuen Zugangswegen Bewerber zu gewinnen oder offen für andere Kandidatenpotenziale zu sein. Unternehmen tun sich hier jedoch noch schwer und die großen Erfolgsstories fehlen.
  • Die Generation Y wurde zum Maß der Dinge erhoben. Nach dem Motto: Wenn man nur alle Rahmenbedingungen so schafft, dass die GenY ihre Erwartungen und Wünsche erfüllt sieht, dann klappt es auch mit dem Recruiting und gleich auch mit der Mitarbeiterbindung. Es stellt sich aber mehr und mehr heraus, dass es einerseits DIE GenY nicht gibt und  andererseits die Generation X ja auch noch Mitten im Arbeitsleben steht, aber vermeintlich ganz andere Vorstellungen hat. Oder doch die gleichen?
  • Dem Hype um “Post and Pray war gestern – heute sind Active Sourcing und Social Recruiting angesagt” folgte in vielen Unternehmen die Ernüchterung, dass es mit der Ansprache von Kandidaten und dem einfachen Gewinnen von Bewerbern über soziale Medien doch nicht so einfach und kostengünstig geht, wie es vielfach postuliert und dann auch erwartet wurde.
  • Employer Branding wurde propagiert. Viele Unternehmen tun sich aber schwer damit, überhaupt ihre “Employer Value Proposition” als Arbeitgeber zu ermitteln und diese dann auch glaubwürdig und erkennbar nach außen zu transportieren.
  • Auch die Frage, wer die besseren Recruiter sind – Fachbereich oder HR, Inhouse-Recruiter oder Personalberater/-dienstleister – wurde immer wieder gerne diskutiert. Die Folge: Schubladen-Denken und Machtgerangel mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, aber kein wirklicher Fortschritt.

Nach wie vor beklagen Unternehmen aber, dass sie offene Stellen nicht zeitgerecht oder qualitativ gut besetzt bekommen. Auch mehren sich Berichte über zunehmende Fehlbesetzungen und ihren teuren Folgen. Die einzelnen Rezepte für erfolgreiches Recruiting haben also nicht die erhoffte Wirkung gehabt. Stellt sich die Frage, ob nur noch nicht das richtige “Allheilmittel” gefunden ist, oder ob grundsätzlich etwas im Recruiting in deutschen Unternehmen nicht stimmt.

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Wir meinen letzteres und plädieren für ein “Umparken im Kopf” in Sachen Recruiting.

Neues Recruiting Mindset notwendig

Als Rekrutierungsberater haben wir viele Unternehmenseinblicke und fangen auch Studienergebnisse, Diskussionen und Meinungen in Presse und Social Media auf. Wir stellen fest, dass der Stellenwert von Recruiting und die Denke über das Recruiting vielfach nicht stimmt. Kein Employer Branding, Active Sourcing oder jetzt eben Candidate Experience kann für sich genommen den erhofften Quantensprung realisieren. Aus unserer Sicht muss sich grundlegend etwas ändern:

  • Recruiting darf kein Selbstzweck einer einzelnen Abteilung, keine Insellösung sein. Es kann nicht darum gehen, eine gerade offene Stelle in einem bestimmten Team zu besetzen, denn unsere Arbeitswelt ist zunehmend dynamisch und volatil. Ein neuer Mitarbeiter muss grundsätzlich mit seinen Potenzialen und seiner Persönlichkeit ins Unternehmen passen. Denn wer weiß schon, wie morgen der Arbeitsplatz und die Aufgaben aussehen, wer die Führungskraft ist und ob das Team noch so besteht. Daher muss Recruiting fachbereichsübergreifende Anforderungen berücksichtigen, um die “Employability” eines neuen Mitarbeiters im Unternehmen zu gewährleisten.
  • Recruiting muss als Teamarbeit unterschiedlicher Professionals – HR-Vertreter, Fachbereichsvertreter und durchaus auch Externe – verstanden werden, die auf Augenhöhe miteinander kommunizieren, sich ergänzen und akzeptieren. Macht- und Zuständigkeitsgerangel verhindern ein zielorientiertes Vorgehen.
  • Recruiting braucht Akteure mit fachlichen, sozialen und methodischen Recruiting-Kompetenzen, sollen Kandidatenansprache und -auswahl/-diagnostik solide und nachhaltig erfolgreich sein. Recruiting kann weder professionell durch Berufseinsteiger oder Praktikanten erledigt werden noch liegt die Fähigkeit dazu per se Führungskräften im Blut. Wer auch immer Recruiting-Entscheidungen begleitet und trifft, der sollte entsprechend ausgebildet und erfahren sein, geschult und gecoacht werden. Personalentwicklungsprogramme von Unternehmen könnten Recruiting-Themen z.B. einen höheren Stellenwert einräumen.
  • Recruiting braucht Leitplanken und Spielregeln, um effizient und effektiv zu wirken. Dazu gehören klare Anforderungsprofile und Auswahl­kriterien, strukturierte Prozesse und abgestimmte Rollen. Auch braucht Recruiting den Einsatz personaldiagnostischer Instrumente und Tools, die eine zielgerichtete und möglichst objektive Auswahl unterstützen. Nur so lassen sich Fehlentscheidungen reduzieren.
  • Erfolgreiches Recruiting ist nicht umsonst zu haben: die Konzeption professioneller Instrumente oder die Optimierung von Prozessen kann nicht durch Vergabe von Abschlussarbeiten oder ein schnelles “paste and copy” von Konzepten Dritter ersetzt werden. Ebenso wenig reichen ein paar (kostenfreie) Webinare zum “how-to” aus. Um Recruiting zu professionalisieren, braucht es Zeit und auch Geld.

Bei anderen Unternehmensfunktionen wie dem Einkauf oder der IT hat man den Wert von professionellen, fachbereichsübergreifenden Partnern (wieder-)erkannt und verankert. Im Sinne des übergeordneten Unternehmensinteresses vertraut man hier auf deren Expertenwissen, hat die Rollen zwischen Fachbereich und Querschnittsfunktion klar definiert, Prozesse, Instrumente und Grundsätze etabliert, um die bestmögliche Entscheidung für das Unternehmen zu fällen. Was hier klappt, sollte doch auch im Recruiting möglich sein.

In diesem Sinne verstehen wir unser Plädoyer: ganzheitlicher und mehr vom angestrebten Ergebnis her denken (passende Mitarbeiter einstellen) sowie sich auf grundlegende Werte von Professionalität und Qualität besinnen. Dann kann´s auch etwas mit dem Candidate Experience Management werden.

Bildquelle: Erfolgskurs © Butch – Fotolia.com


* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Karl-Heinrich Bruckschen
Karl-Heinrich Bruckschen
... unterstützt mit upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg Arbeitgeber bei der Professionalisierung ihres Recruitings durch Recruiting Checks und Beratung, Konzeption von Recruiting Instrumenten, operative Recruiting Services (RPO) oder den Ausbau von Recruiting Kompetenz durch Webinare, Seminare und Workshops. Sein besonderes Augenmerk liegt auf der Verbindung von IT und Recruiting. Daher ist er auch verantwortlich für das Fachportal Rekrutierungserfolg.de.
Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.