Traineeprogramm weiter gedacht – speziell für Senior-Talente

Bewerber Senior Traineeprogramm
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Eine aktuelle TNS Infratest-Studie zeigt: es fehlt nach Angaben von Unternehmensvertretern nicht nur an Fachkräften. 32% der befragten Unternehmen gaben an, dass ihnen auch Führungskräfte mittlerer Ebene fehlen, und sogar im Top-Management fehlen bei 15% der Befragten passende Kandidaten.

Wo Führungskräfte fehlen oder sich in Zukunft ein Fehlen abzeichnet, ist Kreativität im Talent Management gefragt.  Warum nicht einmal die gute Idee des Trainee-Programms weiterdenken und ein spezielles Senior-Traineeprogramm aufsetzen? Lanxess hat diesen Schritt gewagt – mit Erfolg: 12 der 14 Teilnehmer wurden jetzt am Ende des Programms übernommen.

Steckbrief des Senior-Traineeprogramms von Lanxess

  • Zielgruppe: Akademiker, die nach längerer Familienpause wieder ins Berufsleben einsteigen wollen (Wiedereinsteiger)
  • Anforderungen: mindestens 7 Jahre Auszeit, mindestens 3 Jahre Berufserfahrung, Studienabschluss in Naturwissenschaften, Ingenieurwesen, Kommunikations-, Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften, Team- und Kommunikationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Eigeninitiative
  • Einsatz: entsprechend Ausbildungsprofil und Interessen
  • Dauer: 18 Monate, Vollzeit
  • Begleitung: Mentoren, individuelles Coaching, gezielte Fortbildung, regelmäßige Feedbackgespräche

Klar erkennbar: das Traineeprogramm erfindet das Rad nicht neu, sondern lehnt sich an die Erfolgsfaktoren etablierter Traineeprogramme für Hochschulabsolventen an. Warum nicht? In beiden Fällen handelt es sich um Akademiker und beide Gruppen haben ein Ziel: eine Führungsaufgabe übernehmen.

Unterschiede muss man eher im Detail der Ausgestaltung machen: Da die älteren Trainees bereits mehr Lebens- und oft auch Berufserfahrung mitbringen, müssen manche Kenntnisse und Fähigkeiten eher nur aufgefrischt werden; auf der anderen Seite müssen sie aber durch ihren familiären Background andere Herausforderungen in der Arbeits- und Selbstorganisation meistern als die jungen Trainees. Daher gibt es z.B. eine thematisch speziell zugeschnittene Einführungswoche für die Senior-Trainees bei Lanxess. Hier stehen Themen, die den beruflichen Wiedereinstieg betreffen im Vordergrund z.B. Erwartungsmanagement, Organisation von Privatleben und Job, Zeitmanagement etc.

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Summa summarum: Wer als Unternehmen bereits ein Traineeprogramm hat, kann ein entsprechendes Senior-Programm wahrscheinlich leichter gestalten als gedacht. Allerdings ist es nicht mit der Gestaltung getan; eine erfolgreiche Umsetzung hängt noch von weiteren Voraussetzungen ab.

Wesentliche Voraussetzungen zum Erfolg eines solchen Programms

  • Das Programm muss vom Konzept zur Kultur des Unternehmens passen. In einem Unternehmensumfeld, in dem Diversity ein Fremdwort ist oder klar auf ein junges Team gesetzt wird, ist ein solcher Ansatz verfehlt. Das setzt auch voraus, dass es eine klare Vorstellung zum Neben- bzw. Miteinander von Traineeprogrammen für Absolventen und Wiedereinsteigern gibt.
  • Die Idee muss von der Geschäftsführung mitgetragen werden; nur wenn sich diese klar zur Förderung von Wiedereinsteigern auch auf Führungskräfteebene bekennt, können auch Skeptiker mit ins Boot genommen werden.
  • Eine gute interne Kommunikation ist wichtig, um die Fachbereichsleiter zu sensibilisieren und aktivieren, die Wiedereinsteiger als Trainees zu akzeptieren und zu fördern – auch wenn sie ggf. jünger als ihre Trainees sind. Aber auch die Kommunikation ins Unternehmen ist wichtig, damit Mitarbeiter ihre Denkstrukturen verändern und den Senioren-Trainees mit Rat und Tat zur Seite stehen und sie in ihrer Entwicklung fördern.
  • Man benötigt ein klares Kompetenzmodell, um die Kompetenzen der heterogenen Bewerber objektiv bewerten und nach Einstellung gezielt weiterentwickeln zu können.

Diese Punkte sind schon schwieriger umzusetzen. Je nach Stärke und Ansehen des Personal(entwicklungs)bereichs dürfte dies mehr oder weniger einfach sein. Aber vielleicht ist solch ein Projekt ja auch gut dazu geeignet, sich als Business Partner zu präsentieren – insbesondere mit dem Erfolg von Lanxess als Beweis im Rücken.

Mögliche weitere Hemmschuhe

  • Zieht man junge Trainees vor, weil man die recht hohen Kosten einer Traineeausbildung amortisiert wissen will? Klar, junge Akademiker stehen theoretisch dem Unternehmen noch länger zur Verfügung als 20 Jahre ältere Trainees. Aber ist das auch faktisch so? Unsere eigene Erfahrung aus Interviews mit Hochschulabsolventen zeigt, dass viele eine Traineestelle als Einstieg in den Beruf verstehen, sich aber nicht auf dieses Unternehmen festlegen wollen, sondern anschließend vielfältige Erfahrungen in unterschiedlichen Unternehmen, Branchen und teilweise auch Ländern suchen. Dieses Risiko ist bei Teilnehmern jenseits der 45+ geringer.
  • Befürchtet man Führungsprobleme, weil die Trainees mehr Lebenserfahrung mitbringen? Ja, Seniors sind persönlich weiter entwickelt, aber auch junge Hochschulabsolventen haben heutzutage durch Praktika und Auslandsaufenthalte einige Erfahrungen gesammelt und sind in ihrem Auftreten deutlich selbstsicherer als noch vor vielen Jahren. Demgegenüber können die reiferen Trainees ihre Situation gut einschätzen; sie wissen um die Chance, die ihnen geboten wird, sie möchten in den Arbeitsmarkt zurück und sind daher hochmotiviert, eine gute Leistung zu zeigen. Daher würde ich nicht unterschreiben wollen, dass ältere Trainees per se schwieriger zu führen sind.
  • Hat man Bedenken, dass das Know-how und die Fähigkeiten der Seniors durch die Familienzeit veraltet und zurückentwickelt sind? Dagegen spricht, dass gerade Akademiker die berufliche Auszeit mit Weiterqualifizierungen verbinden, Erfahrungen in Ehrenämtern oder durch Auslandsaufenthalte (gemeinsam mit Familie) sammeln. Mehr noch, durch die Familienzeit haben sie an zusätzlichen wichtigen Kompetenzen gewonnen, wie z.B. Lernfähigkeit, Gelassenheit, Kommunikationsfähigkeit, Organisationstalent, Einstellen auf neue Situationen etc. Und genau diese Fähigkeiten helfen, schnell wieder ins Thema hinein zu kommen und Wissenlücken zu schließen.

 Zur Nachahmung empfohlen

Zum Ende des Traineeprogramm bei Lanxess zeigt sich, dass das Programm ein Erfolgsprogramm ist. Positive Teilnehmerstimmen und Übernahmeangebote zeugen davon, dass eine Win-Win-Situation gegeben ist: 12 der 14 Teilnehmer haben nach einer Familienpause die Chance auf eine 2. Karriere und das Unternehmen hat neuen gut ausgebildeten Nachwuchs erhalten, der die entstehenden Lücken durch ausscheidende Führungskräfte in den kommenden Jahren decken hilft. Und wenn man dafür wie Lanxess auch noch ausgezeichnet wird (Queb Special Award 2014), steigert dies die Arbeitgeberattraktivität insgesamt.

Es spricht also vieles dafür, auch in anderen Unternehmen Senior-Traineeprogramme zu etablieren, um langfristig den Bedarf an qualifizierten Führungskräften decken zu können. Das Beispiel und der Erfolg von Lanxess ermutigen dazu. Interessierte Teilnehmer gäbe es sicher eine Menge, das zeigen einige Blog- bzw. Foreneinträge im Social Web. Vielleicht gibt es ja bald einige Nachahmer?

Wer kennt weitere Beispiele und weiß um deren Erfolg?

Bildnachweis: Many the isolated portraits of people © FotolEdhar – Fotolia.com

Weitere Quellen:

Informationen auf der Karrierewebseite von Lanxess zum Senior-Trainee-Programm (Ergänzung 2018: keine Informationen auf der Lanxess-Karriereseite mehr vorhanden)

Haufe: Lanxess für Diversity im Recruiting ausgezeichnet 

Interview mit Claudia Klein, Personalbereich Lanxess, zum Senior-Trainee-Programm

Bericht über eine Teilnehmerin , weiterer Videobericht

* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.