Bewerberbefragungen – zu den Risiken und Nebenwirkungen

Bewerberbefragung
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Bewerberbefragungen sind ein wichtiges und zielführendes Analyse-Instrument für Optimierungen im Recruitingprozess.

Dennoch gehen Arbeitgeber oft nur zögerlich an das Thema heran. Das zeigen die Ergebnisse von zwei Studien: In 86%  (vgl. Candidate Experience Studie 2014) bzw. 81% (vgl. Textkernels Studie: Candidate Experience 2014) der Recruitingprozesse wird auf das Einholen eines Bewerberfeedbacks verzichtet. Wir haben Gründe gesammelt und kritisch beleuchet.

Chancen von Bewerberbefragungen

Rückmeldung von Kandidaten zu ihrer Candidate Experience im erlebten Recruitingprozess ist ein Feedback aus erster Hand. Es liefert Informationen darüber, welche Erwartungen die eigenen Bewerber haben, wie sie den Recruitingprozess (auch im Vergleich zu Prozessen in anderen Unternehmen) erleben und bewerten. Mit diesen Rückmeldungen erhalten Unternehmen wertvolle Anhaltspunkte, an welchen Punkten im Recruitingprozess Veränderungen notwendig sind, um Kandidaten von sich als Arbeitgeber zu überzeugen.

Im Produktmanagement und Vertrieb haben sich Kundenbefragungen aus vergleichbaren Gründen längst etabliert. Hier findet man Online-Befragungen/ Bewertungen ebenso wieder wie telefonische oder persönliche Fragen nach den Erfahrungen als Kunde. Gleiches ist grundsätzlich auch zur Einholung von Bewerberfeedback möglich.

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Häufig angeführte Gründe gegen Bewerberbefragungen

Diskussionen mit Arbeitgebern im Rahmen von Beratungsprojekten, Workshops und Seminaren oder Akquisegesprächen zeigen eine vielschichtige Skepsis. Aus meiner Sicht kann man die diffusen Gründe wie folgt unterteilen und ihnen begegnen:

Vermeidung von Belästigung von Bewerbern

Einige Arbeitgeber befürchten, ihre Kandidaten mit der Bitte um ein Feedback unnötig zu belästigen. Das gilt insbesondere dann, wenn sie Bewerbern eine Absage erteilt haben. Man fragt sich, was ein Bewerber dann noch bewegen sollte, eine Rückmeldung zu geben und befürchtet deshalb nur eine geringe Teilnehmerzahl.

Welche Rückmeldung man Bewerbern auf ihre Bewerbung auch gibt, sie löst Emotionen aus. Das Angebot zur Teilnahme an einer Bewerberbefragung kann helfen, die Emotionen zu kanalisieren – und zwar auf ein gezieltes Feedback an den Arbeitgeber anstelle eines Feedbacks auf Arbeitgeber­bewertungs­plattformen. Außerdem signalisiert das Angebot einer Bewerberbefragung auch, dass man Bewerbern auf Augenhöhe begegnen möchte: Kandidaten haben sich durch ihre Bewerbung und ihre Vorstellung in Gesprächen und/oder Auswahl­verfahren der Bewertung durch den Arbeitgeber gestellt; daher empfinden viele Bewerber es nur als fair, den Arbeitgeber ebenfalls bewerten zu können.

Setzen falscher Signale

Einige Arbeitgeber befürchten auch, mit der “Frage danach” den Kandidaten zu signalisieren, dass man selbst nicht ganz vom eigenen Recruitingprozess überzeugt ist und sich und die Auswahlergebnisse damit angreifbar zu machen.

Das Gegenteil ist jedoch meist der Fall. Eine Bewerberbefragung signalsiert, dass man sich als Unternehmen auch hinterfragt; das werten viele Bewerber als ein Zeichen von Professionalität und Glaubwürdigkeit.

Keine Zeit für ein Befragungsprojekt

Dieses Argument ist ein klassisches Totschlag-Argument. Natürlich kostet die Konzeption, Durchführung und Auswertung einer Bewerberbefragung Zeit und damit auch Geld; sie liefert aber auch wichtige Informationen für Veränderungen im Recruitingprozess, die auf der anderen Seite wieder Zeit und Geld sparen helfen bzw. mit der eingesetzten Zeit zu besseren Ergebnissen führen.

Ähnlich einer Mitarbeiterbefragung kann man auch auf externe Unterstützung zurückgreifen. Die gerne mal gewählte Alternative, eine studentische Abschlussarbeit zu vergeben oder die Aufgaben einem Praktikanten zu übertragen, ist zwar eine Option, aber nur dann hilfreich, wenn entsprechende Expertise vorhanden ist. Einfach ein paar Fragen zu sammeln oder aus anderen Befragungen zusammenzustellen, ist wenig zielführend. Die Qualität und die Aussagekraft der gesammelten Befragungsergebnisse werden wesentlich beeinflusst durch die Kenntnisse und Erfahrungen in der Konzeption von Befragungen einerseits und im Recruiting andererseits.

Angst vor Ergebnissen

In einigen Unternehmen scheut man weniger den Input, der geleistet werden muss, um ein Bewerberfeedback einzuholen, als vielmehr die Ergebnisse. Denn liegen diese erst einmal vor, hat man schwarz auf weiß, wie man als Arbeitgeber auf die Bewerberzielgruppen wirkt und an welchen Stellen Handlungsbedarf ist. Und das kann verschiedene Folgen haben, zum Beispiel:

  • Schuldzuweisungen und sich bestätigt fühlen in der bereits geäußerten Kritik
  • Aktionismus und Druck, die offensichtlichen Problembereiche schnellstens anzugehen
  • Nichtakzeptanz der Ergebnisse und Infragestellen der Befragungs­konzeption
  • sich schön reden der positiven Rückmeldungen und Herunterspielen von Kritik

Die Durchführung einer Bewerberbefragung setzt eine gewissen Kritikfähigkeit und Veränderungsbereitschaft voraus. Daher sollte man als Personalbereich/ Recruiting das Thema auch offensiv angehen, vor der Durchführung alle Beteiligten einbeziehen und über die geplante Befragung und ihre Ziele informieren. Die Befragung und die Moderation der Ergebnis­betrachtung in die Hände externer Experten zu legen, trägt i.d.R. zu einer größeren internen Akzeptanz bei. Denn schließlich ist die Personalabteilung/ Recruiting selbst Beteiligte des Recruitingprozesses.

Fazit: Risiken und Nebenwirkungen überschaubar

Sicher gibt es im Einzelfall auch noch andere gute Gründe, warum man keine oder jetzt gerade keine Bewerberbefragung durchführen möchte. Dennoch sind die meisten Gründe nur begrenzt haltbar. Daher sollte man als Arbeitgeber kritisch prüfen, ob man die Chancen einer Bewerberbefragung (in welcher Form auch immer) nicht doch nutzen möchte. Sie ist ein ähnlich hilfreiches Instrument  zur stetigen eigenen Weiterentwicklung wie eine Mitarbeiter- oder Kundenbefragung.

 

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* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.